Mit der letzten Ausgabe des "hillinger" im Dezember 1997
wurde die einzige freie Linzer Stadtzeitung eingestellt. Sang und klanglos, ohne Aufruhr
ist das Blatt von der Bildflöche verschwunden. Man könnte meinen, es bestünde kein
Interesse für eine kritische Öffentlichkeit. Aber im Netz erfreut sich der hillinger
nachwievor großer Beliebheit. Wöchentlich sind bis zu 400 Zugriffe zu verzeichnen und
seit 5. Feb. dieses Jahres gab es insgesamt 43.000 Anfragen.
"hillinger" auf Papier; die Nullnummer erschien im Jänner 1995. Bis zum Dez 97,
also 3 Jahre lang, gab es 32 Ausgaben. Die Druckauflage war 5000 Stück, wovon 4000 direkt
versandt wurden. An die 60 AutorInnen haben im "hillinger" publiziert.
Von Anfang an war der "hillinger" im Internet, ab der 5. Ausgabe in voller
Länge. Im November 96 wurde begonnen ein Schlagwortverzeichnis einzurichten. Mit Dezember
97, gleichzeitig mit der Einstellung des hillinger, stand dieses dann im Netz zur
Verfügung. Mexx Seidl und Gerhard Dirmoser, die Autoren dieses Archivsystems, wollten die
im Netzdschungel versickerten Artikel besser zugänglich machen. Das Archiv ist in Form
eines semantischen Netzes aufgebaut, in dem die wesentlichen Schlagworte und Inhalte aus
den diversen Artikel sämtlicher Ausgaben aufgelistet und querverwiesen sind. So kann man
jederzeit alle Beiträge zu einem Thema oder Schlagwort, einem Autor und die
entsprechenden inhaltlichen Nähen auf Listen abrufen, und in Folge zum jeweils
gewünschten Artikel gelangen.
Sicherlich hat dieses Archivverzeichnis dazu beigetragen, daß hillinger heute noch so oft
nachgeschlagen wird. Interessant ist vielleicht die im Internet grassierende Sexomanie,
auf den Artikel "an den titten nuckeln" wurde 1.300 mal zugegriffen, was aber im
Verhältnis zu den total requests (Gesamtzugriffe) gar nicht so viel ist.
Gerhard Dirmoser, der sorgfältige Beobachter der Linzer Kunst und Kultur, hat
"hillinger" zu schätzen gelernt. "hillinger" hatte eine enorme
thematische Breite. Alle Bereiche der Subkultur, der Postmoderne, politische und soziale
Themen bis hin zu Arbeitslosenproblemen, waren nicht nur in einzelnen Artikel sondern auch
mehrfach bestückt. Die meisten Aktivitäten in dieser Stadt haben in dieser Zeitung ihre
Spuren hinterlassen.
Es ist bezeichnend für den Zustand der Linken, daß sie den "hillinger" sterben
lassen hat und gleichzeitig die Entpolitisierung von Projekten beklagt. Mit dem
"hillinger" ist ein Sprachrohr verloren gegangen. Da tritt in der politischen
Einschätzung ein Realitätsverlust ein, denn es gibt ja keine Medien, in denen eine
Kritik verfaßt wird. Mehrere dutzende SchreiberInnen haben keine Plattform, um frei und
unbenommen kritische Positionen zu verbreiten. Übrig bleiben irgendwelche Blätter von
Häusern, die Veranstaltungen ankündigen.
LEBT DER HILLINGER NOCH?
g. huber stellte udo danielczyk diese und andere fragen
die idee vom hillinger schon. die idee eine kulturell, politische zeitung im raum linz zu
machen ist nachwievor wünschenswert und notwendig. es gibt kaum eine
artikulationsmäglichkeit für kritik und andere meinung, die fern der äffentlichen
darstellung ist.
das ding ist für die kapu zu groß geworden. eigentlich wäre geplant gewesen, daß die
kapu den entsprechenden impuls gibt, der sich dann in gewisser weise vereigenständigt und
sich selber weiterträgt. diese schritte, aus welchen gründen auch immer, zwei leute die
bezahlter natur das ding über zwei jahre hinweg einfach betreuen, konnten nie geschafft
werden. der finanzmangel wirkte sich auch inhaltlich auf die zeitung aus, und zwar
insofern, daß die schreiberinnen und redakteurinnen irgendeinmal nicht mehr konnten und
oder wollten. zudem ist es nie gelungen, eine redaktionelle linie zu definieren.
war es nicht eine qualität, so offen zu sein und dadurch mehr leute
anzusprechen?
ja und nein. dadurch war es mühsamer, ein heft fertig zu machen. zur entscheidungsfindung
gab es kaum parameter, und es fehlte auch an einer entscheidungsstruktur. der vorteil
dabei lag einfach wirklich in der völlig offenen situation, sodaß jedes heft eine
überraschung war, nicht nur für die macherinnen, sondern auch für die leserinnen.
macht, information!
der hillinger hat weniger bei den lesern als bei den politischen und sonstigen
veranwortungsträgern viel staub aufgewirbelt. wir haben nie verstanden, warum der
hillinger solche reaktionen auslöste; siehe gemeinderatssitzung und diverse klagen, oder
klagsandrohungen. es überraschte, daß ein so kleines, chaotisch organisiertes team
soviel unruhe im establishment hervorrief. es war eigentlich nicht das hauptanliegen,
sondern eher information und meinungen zu verbreiten. das erschütternde daran ist, daß
von ein paar tausend leserinnen oder empfängerinnen viel weniger rückmeldungen oder
reaktionen gekommen sind, als von 20 meinungsträgern. wir waren auf die heftigen
gegenreaktionen nicht wirklich vorbereitet, was ja eher dafür spricht, daß es nicht in
der zielsetzung war, die herren dermaßen aus der verfassung zu bringen, daß sie zu
solchen mitteln greifen. es stellt sich hier überhaupt die frage, was ist
meinungsfreiheit? es ist auch frappant, wie solche reichen herren vornehmlich der irrigen
meinung waren, daß ein zeitungsherausgeben von großem geld gesegnet sein müßte, und
sich an der kapu bzw. hillinger bereichert haben. was wiederum für die überheblichkeit
und abgehobenheit jener personen spricht. was hat es da zu befürchten gegeben, als daß
jetzt der hillinger in klagen versunken ist. diese meinungsträger haben dem hillinger
erst eine vermeintliche gefährlichkeit zugeschrieben, die es zu bekämpfen galt. also ist
und bleibt die erkenntnis: information ist geld und geld ist information. information ist
wirklich macht, denn meinung frei zu äußern und zu verbreiten hängt mit dem geld
zusammen. |