Marie Ringler und Konrad Becker (Public Netbase t0 Wien)


VERSORGER: Wie wart ihr mit der Diskussion heute zufrieden?

Marie Ringler:
Das, was gefehlt hat, waren die politischen Inhalte über diesen spezifischen Anlaß hinaus. Eine wirkliche Diskussion: Was bedeutet Zensur, was bedeutet Meinungsfreiheit im Internet, wie geht man grundsätzlich damit um, abseits von Kinderpornographie. Auch die weiteren Implikationen im Zusammenhang mit Lauschangriff z.B. sind überhaupt nicht angesprochen worden.

Konrad Becker:
Was mir abgegangen ist, ist, daß zwar der Herr Litzka gemeint hat, man darf die Provider nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, aber nicht so richtig zur Sprache kam, daß die österreichische Politik in ihre Verantwortung gezwungen werden müßte. Wie sich gezeigt hat: Die doch sehr katastrophalen Zustände und Bedingungen im Justizministerium sind um kein Haar schlimmer als in jedem anderen Ministerium, das mit dieser Thematik in irgendeiner Weise beschäftigt ist. Aus meiner eigenen Erfahrung würd ich sagen, daß an allen Stellen, die in irgendeiner Weise damit zu tun haben sollten oder haben, der Wissensstand ungefähr derselbe ist und es hat sich halt noch nicht so schön plakativ manifestieren können, wie sehr Scheiße in dem Bereich am Dampfen ist.

Wie sehr ist die Scheiße am Dampfen?

Konrad Becker:
Die besondere Verschärfung der Situation ist, daß hier ganz ungeheuerliche Dinge vor sich gehen, und es schaut keiner hin. ... Es wird selten zum Thema gemacht, inwieweit das jetzt wirklich zufällig ist, daß hier das Thema Kinderpornograhie immer gewählt wird, um Restriktionen in Netzwerken voranzutreiben. - Da es offensichtlich mit gottlosen Kommunisten nicht mehr geht und sich scheinbar nicht alle auf Neonazis als Böse einigen können, bleiben eigentlich nur noch die Kinderpornos. Hier können sich offensichtlich alle darauf einigen, daß das böse ist.

Wie siehst du die Entwicklung bezüglich Restriktionen im Moment in Österreich?

Ich glaube, daß das auf subtile Art läuft. Natürlich wird es so sein, daß man sich jetzt mal im Zuge des Neoliberalismus damit abfinden wird, daß bestimmte Bevölkerungsteile irgendwie ein Zwischenstadium zwischen Müll und Müllkippe sind, und der Rest eine technologische Elite darstellt, die teilweise in den Arbeitsprozeß eingebunden ist, teilweise zur Überwachung des Restes der Bevölkerung eingesetzt wird. Parallel dazu wird zum Beispiel alles, was an content oder wertvollen Inhalten und Informationen im Gegensatz zu Datenjunk möglicherweise zur Verfügung stehen würde, zunehmend schwieriger zugreifbar werden. Jeder Provider oder jedes Medienunternehmen will irgendwelche Kabeln verkaufen. Die Frage ist, welche Informationen bekommst du mit diesem Kabel. Es wird wahrscheinlich so ausschauen, daß man hauptsächlich Junk-Informationen kriegt und Desinformationen, was ja ungefähr dasselbe ist. Und daß all die Möglichkeiten, die so ein bißchen utopisch an dieses Medium geknüpft worden sind, von vornherein sich nie entfalten werden können.

Was macht t0 diesbezüglich?

Man tut, was man kann. "Insel des Widerstands"!

Was ist t0?

Konrad Becker: Wir machen hier seit mehr als zwei Jahren einen quasi Public Access, der speziell eingerichtet wurde für Leute, die entweder aus dem Kulturbereich kommen oder die jetzt mal grundsätzlich aktiv im Netz publizieren wollen. Es geht auch darum, Medienkompetenz zu vermitteln im Bereich der User, im Bereich der Administration, im Bereich der Politik und dementsprechend gibt es inhaltlich die Bemühung, dieses Thema in verschiedener Weise zu beleuchten. Sei das jetzt durch Experten oder durch Praktiker, die im Rahmen von t0 Projekte oder Vorlesungen machen, etc. Wir machen zum Beispiel jede Woche eine Einführung ins Internet, die von jedem, den das interessiert, unverbindlich besucht werden kann.

Was ist für dich die Faszination am Cyberspace?

Konrad Becker:
Faszination, naja. Ich arbeite mit neuen Medien seit langer Zeit eigentlich in den verschiedensten Bereichen. Vielfach wäre meine Arbeit nicht möglich ohne diese neuen Medien, auch im musikalischen Bereich. Es ist nicht mehr denkbar, bestimmte Dinge umzusetzen ohne diesem Hilfsmittel. Andererseits ist es ein bißchen analog zu dem, wie man als Guerillakämpfer vorgehen muß - du arbeitest, du mußt mobil sein, du mußt flexibel arbeiten können, beweglich bleiben. Das kannst du dir mit neuen Technologien verschaffen. Wir haben immerhin eine sehr romantische und postmoderne Revolutionsbewegung, die sich über Strecken des Internets bedient. Wo sich zeigt, daß man eben aus dieser Position mit diesen Medien sehr nützlich umgehen kann und, wie ich glaube, auch umgehen sollte oder muß, weil man damit ein Modell bildet. Das ist vielleicht für das, was wir machen, das Wichtigste. Nicht die so und sovielen Einschulungen, sondern daß das als Modell existiert.

Marie Ringler:
Ich glaube grundsätzlich, abgesehen von vielen Aspekten, ist es für mich eigentlich so, daß es mir lieber wäre, wenn das Wort "Faszination" in diesem Zusammenhang nur bedingt erwähnt wird, weil ich glaube, da&azlig; das Internet entmystifiziert werden sollte. Ich glaube, es ist tatsächlich - abseits aller wirtschaftlichen Interessen - ein sehr brauchbares Handwerkszeug, ein sehr brauchbares Instrument für Kommunikation. Abgesehen davon, daß es mir einfach Spaß macht, damit zu arbeiten - und es sind gewisse Spielereien erlaubt, die sonst nicht möglich wären - ist es mir "politisch" wichtig, das Ganze aus diesem Bereich des Unerreichbaren, des Unbekannten rauszuholen. Man sollte es als ein Instrument des Alltags begreifen. Mir wäre lieber, Politiker würden damit so umgehen, wie sie mit Faxgeräten umgehen, als wie mit einem großen unbekannten Monster, das irgendwo um die Ecke lauert und Kinder fressen wird...