Die Kommunikation hat ihren Preis


"Die Informations- und Kommunikationstechnologien haben in der Vergangenheit auf der ganzen Welt eine neue industrielle Revolution eingeleitet, die in ihrer Bedeutung und Reichweite denen der Vergangenheit in nichts nachsteht. Es ist eine Revolution, die sich auf Information stützt, worin das menschliche Wissen zum Ausdruck kommt. (...) Diese Revolution eröffnet der menschlichen Intelligenz riesige neue Kapazitäten und ist die Quelle zahlreicher Veränderungen in der Art unserer Zusammenarbeit und unseres Zusammenlebens."

So beginnt der vielzitierte Bangemann-Report, der im Auftrag des Europäischen Rates stand und Maßnahmen empfiehlt, die in bezug auf Informationsinfrastrukturen in Betracht zu ziehen sind. Eine bedeutende Maßnahme zur Beschleunigung dieser Revolution ist "ein Bruch mit der Vergangenheit", was die Organisation des Telekommunikationssektors betrifft. Das bedeutet die Öffnung für den Wettbewerb von Infrastrukturen und Diensten und die Befreiung der Telekommunikationsbetreiber von nichtkommerziellen politischen Aufgaben und Finanzleistungen, denn "Der Preis, der für eine langsamere Liberalisierung zu zahlen ist, besteht in einem verstärkten Druck seitens dynamischer Auslandkonkurrenten und einem kleineren Inlandsmarkt. Die Zeit wird knapp. Wenn nicht schneller gehandelt wird, stellen sich die Vorteile zu spät oder nie ein."

In diesem Geist erließ die EU in einem Grünbuch eine Reihe von Richtlinien, die "vollständige Liberalisierung" des Telekommunikationsmarktes mit 1. Jänner 1998 innerhalb der EU vorschreiben. Das betrifft natürlich auch Österreich und deshalb wurde ein Entwurf f&uumk;r ein Telekommunikationsgesetz verabschiedet, der die Übernahme dieser Richtlinien zum Ziel hat.

So weit so gut. Vorteile der Liberalisierung, wie z.B. ein vielfältigeres Angebot an Telekommunikationsdiensten, sind nicht abzustreiten, diese werden ohnehin bei jeder Gelegenheit betont. Das ganze hat jedoch auch seine Kehrseiten:

Zum ersten stellt sich die Frage, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Ausgegangen ist das ganze von internationalen amerikanischen Konzernen, die im Zuge der Globalisierung nach einer Telekommunikationsinfrastruktur verlangten, die ihnen erlaubt, eine große Menge von Daten rund um die Welt zu schicken. Sie schlossen sich zu "user communities" zusammen und forderten von den Telekommunikationsanbietern ein international nahtloses Netz. Diese wiederum ließen sich das nicht zweimal sagen und verlangten nach freierem Wettbewerb, um den Kundenwünschen besser nachkommen, bzw. um in andere Länder expandieren zu können. Ab nun galt: "Once the liberalization dynamic is unleased, there is pressure on all other PTT systems to open up – even in less developed nations."

Im Bereich der internationalen Leitungen gibt es tatsächlich Wettbewerb mit positiven Folgen für den Kunden: dem Preisverfall. Zu den Kunden, die internationalen Leitungen nachfragen, gehören aber naturgemäß Unternehmen, und nicht die privaten Haushalte. Nicht einmal 4 % der Privatkunden telefonieren einmal wöchentlich ins Ausland. Wer in diesem Zusammenhang was von der Liberalisierung hat, ist offensichtlich.

Ein Hoffnungsschimmer ist allerdings, daß die Tarife für Internetnutzungen Ende April gesenkt werden sollen, nähmlich um mindestens 10 %. (Das könnte auch deshalb der Fall sein, weil die Post die Konkurrenz der Kabelbetreiber fürchtet. Telekabel Wien bietet im Sommer einen Zugang um 600 Schilling pro Monat an und dieser ist wesentlich schneller als die der Kupferdraht der Post.) Wenn man bedenkt, da§ in Zeiten "einer Revolution, die sich auf Wissen stützt" nur 3 % der Österreicher (haupsächlich -er) das Internet privat nutzen, ist das auch an der Zeit. Die höhere Verbreitung in anderen LÄndern wie z.B. den USA, Kanada und Skandinavien ist nämlich nicht zuletzt auf das dort etwas kundenfreundlichere Tarifsystem zurückzuführen. In Kanada etwa zahlt man eine Grundgebühr von ca. 77 Schilling für die Ortsleitung und kann dann surfen so viel man will. Liegt in Österreich schon die Grundgebühr etwas höher, so dürften aber die Nutzungsgebühren von 40 Schilling pro Stunde Ortsgebühr der wirkliche Hemmschuh für den "uptake" des Internet sein. Pech für jene, die außerhalb der Städte wohnen: eine Stunde Surfen in der 1. Fernzone kostet 240 Schilling die Stunde. Es bleibt zu hoffen, daß die Gebührensenkung um einiges mehr ist als 10 %. Dem vielbeschworenen Weg Österreichs "in die Informationsgesellschaft" würde das nämlich einige Steine aus dem Weg räumen. ...

Judith Vorbach