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Opferstatus oder Verurteilung
Sexarbeiterinnen
erfahren meist eines von beiden. Eine Lesung am 13. Oktober in der
Stadtwerkstatt versucht dem entgegenzuwirken. Von Daniela Leitner
und Katharina Tautscher.
Fälschlicherweise wird Sexarbeit häufig als das »älteste
Gewerbe der Welt« bezeichnet. Zwar ist das Anbieten und Ausüben
von sexuellen Dienstleist-ungen in Österreich grundsätzlich
legal, dennoch sind Verträge, die sexuelle Dienstleistungen (SDL)
gegen Entgelt beinhalten, ungültig. Aufgrund des OGH Urteils
von 1989 werden diese Verträge zwischen Kunden und Anbieterinnen
von SDL als sittenwidrig eingestuft und können somit bis dato
weder eingeklagt noch als »Gewerbe« anerkannt werden.
Auch wenn in den Gesetzen immer (noch) von Prostitution die Rede ist,
hat sich mittlerweile nicht nur in der Szene die Bezeichnung Sexarbeit
oder sexuelle Dienstleistungen durchgesetzt. Diese Begriffe werden
bewusst gewählt, um eine klare Unterscheidung zwischen einer
freiwillig erbrachten Dienstleistung und dem kriminellen Tatbestand
der Zwangsprostitution zu treffen.
Aufgrund der Mobilität der SexarbeiterInnen führt das Fehlen
eines einheitlichen Prostitutionsgesetzes in Österreich oft zu
Unklarheiten. Die teilweise sehr unterschiedlichen Landesgesetze regeln
wer, wann, wo SDL anbieten und ausüben darf. In Oberösterreich
werden SDL nach wie vor im Polizeistrafgesetz geregelt.
Seit 2009 wird in Oberösterreich an einem eigenen Prostitutionsgesetz
gearbeitet. Es bleibt zu hoffen, dass es einige wünschenswerte
Verbesserungen zur Stärkung der SDL beinhalten wird, wie beispielsweise:
Ein unsafe-Sex-Werbeverbot
Eine Beratung zu Beginn der Tätigkeit, um Sexarbeiterinnen
über gesundheitliche und rechtliche Fragen aufzuklären und
Manipulationen durch Betreiber oder Kunden vorzubeugen.
Eine kostenlose »Pflichtuntersuchung« in ganz Österreich
Der Begriff Prostitution projiziert meist vorgefertigte, klischeebehaftete
Bilder im Kopf. Es gibt kaum jemanden, der Prostitution gegenüber
neutral eingestellt ist. Entweder werden die Menschen, die diese Tätigkeit
ausüben »müssen«, bedauert und in den Opferstatus
manövriert, oder aber man verurteilt sie. Auf Verständnis,
dass es auch Menschen gibt, die sich freiwillig für die Tätigkeit
als SexarbeiterIn entscheiden, trifft man selten. Der Mensch hinter
der Prostitution wird nicht mehr wahrgenommen Sie oder er ist
nur noch Prostituierte(r).
Viele Ängste, viel Unausgesprochenes, viele Fragen ranken sich
rund um das Thema Prostitution/Sexdienstleistung. Gesetzliche und
soziale Ausgrenzung, Diskriminierung, Stigmatisierung und Kriminalisierung
machen es Betroffenen nahezu unmöglich, offen über ihre
Situation, ihre Anliegen und ihre Probleme zu sprechen. Über
die tatsächlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen,
die in Österreich in den Sexdienstleistungen arbeiten, gibt es
kaum sachliche Informationen. Deshalb werden SexdienstleisterInnen
und ihre Lebenssituationen noch immer mehrheitlich ignoriert oder
auf ihren Opferstatus reduziert, womit sie erst recht in ihrer Handlungsfähigkeit
eingeschränkt werden.
Eines der Hauptprobleme, mit welchen die Menschen in den SDL konfrontiert
sind, ist die Gefährdung ihrer körperlichen und psychischen
Gesundheit einerseits durch gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen
und andererseits durch sinkende Arbeitsstandards und Konkurrenzdruck
innerhalb der Szene.
Diese Personen sind viel zu langen Arbeitszeiten ausgesetzt, teilweise
mit Tag- und Nachtdiensten hintereinander, ohne Pause. Oftmals halten
sie sich täglich in dunklen Arbeitsräumen ohne Tageslicht
auf. Verlassen sie ihren Dienstort könnte ein »Verdienstentgang«
entstehen. Ein sehr wesentlicher Punkt bei der Arbeit in einem Bordell
(Etablissement mit Barbetrieb) ist das tägliche Konsumieren von
Alkohol mit den Kunden und die »Trinkprozentbeteiligung«.
Dieses teilweise verpflichtende Trinken von Alkohol beinhaltet neben
den körperlichen Langzeitfolgen auch den Verlust der Kontrolle
auf dem Zimmer, was dazu führen kann, dass der Kunde die Oberhand
bekommt (Vergewaltigung, unbemerktes Abziehen des Kondoms, uvm
).
Zudem besteht die Gefahr der Ansteckung mit einer sexuell übertragbaren
Krankheit wie Lues, Gonorrhöe, HIV..., da viele Menschen in der
Sexarbeit unzureichend aufgeklärt sind. Die Nachfrage der Kunden
nach »unsafe-Praktiken« steigt ebenso. Weil dafür
auch mehr Geld geboten wird, kommen insbesondere jene Sexarbeiterinnen
in Bedrängnis, welche in einer finanziellen Notlage sind. Dadurch
sinken die Standards innerhalb der Szene nachhaltig und die Sexarbeiterinnen
bieten immer mehr Dienste für immer weniger Geld an.
Derzeit sind ca. 85% - 90% der registriert arbeitenden Sexarbeiterinnen
in Österreich aus den »neuen EU-Ländern«, dies
ist wahrscheinlich auch auf den erschwerten Arbeitsmarktzugang für
MigrantInnen in Österreich zurückzuführen. Da sie ihre
Familien und Freunde oftmals im Heimatland haben, sind viele Sexarbeiterinnen
von Einsamkeit und sozialer Isolation betroffen. Aufgrund von schlechten
Erfahrungen und/oder Konkurrenzdruck fällt es ihnen oft schwer,
Vertrauen zu Kolleginnen aufzubauen.
Im Fall eines Berufswechsels ist bei selbstbewusstem Anführen
der vorhergehenden Tätigkeit mit einer Stigmatisierung durch
den Arbeitgeber zu rechnen, was den ohnehin oft niedrigen Selbstwert
weiter schwächt.
Aufgrund der hohen Stigmatisierung der Menschen, welche in den SDL
tätig sind, entstand die Idee zur Lesung: »worüber
keiner sprechen möchte darüber schreiben wir«.
Die Lesung soll eine Plattform für eben diese Menschen sein,
um über ihre Erlebnisse anonym zu schreiben und an öffentlicher
Stelle Gehör zu finden. Damit soll der Mensch hinter der »Prostitution«
sichtbar gemacht.
Eine Kooperation der Stadtwerkstatt und LENA Beratungsstelle
für Menschen, die in der SDL/Prostitution arbeiten oder gearbeitet
haben, soll die Lesung Raum für Informationsaustausch und Reflexion
zum Thema Prostitution/Sexdienstleistungen schaffen.
LESUNG
Veranstaltungsort:
Stadtwerkstatt,
Kirchengasse 4, 4040 Linz
Am: 13. Oktober 2011
Beginn: 19.30 - ca. 21.00 Uhr
Eintritt: frei
Die Texte liest die Schauspielerin Julia Ribbeck.
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