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Mythos Medienkunst: Georg Ritter
Wie
ein Mythos eine Stadt und die Stadtwerkstatt prägte. Von Franz
Xaver.
Die »ars electronica« und die Klangwolke, die vor 35 Jahren
in einem eher psychodelischen Ansatz erfunden wurden, stehen heute
für das Image der Stadt Linz. Über blinkende Hausfassaden
und eine »ars electronica«, die eher einem Jahrmarkt gleicht,
wird das Image einer Kunst-, Kultur- und Technologiestadt aufrecht
gehalten. Inhaltliche Fragen und der experimentelle Charakter der
Kunstwerke werden immer mehr in
universitäre, multinationale Einrichtungen oder private Unternehmen
ausgelagert, um sich in diesen konstruierten Systemen selbst zu bestätigen.
Dadurch wird eine kritische Auseinandersetzung mit den neuen Medien
in dieser Stadt kaum mehr möglich.
»Medienkunst« als Genre wurde zu einem Begriff, den fast
alle KünstlerInnen, die bereits in dieser Interviewserie gefragt
wurden, ablehnen. Aber die BesucherInnen und KünstlerInnen kommen
doch noch zur »ars electronica« nach Linz, alles verschiebt
sich zwar in Richtung Mainstream, die vielen blinkenden Lichter jedoch
signalisieren immer noch Reichtum, und so manche Hoffnung keimt auf,
sich von diesem Reichtum doch noch ein Scheibchen abschneiden zu können.
Zum Dialog mit der heimischen Kunstszene sei anzumerken: KünstlerInnen
bei der letztjährigen »ars electronica« mussten schon
ihre ÖAMTC Clubkarte rausholen, um eine Ermäßigung
zu erwirken (was mich ja köstlich amüsierte).
Aber die Medienkunst prägte nicht nur die Stadt Linz, sondern
auch die Stadtwerkstatt. In dieser Richtung arbeiteten in der STWST
u.a. Tomi Lehner, Gabi Kepplinger und Georg Ritter. Im Gegensatz zur
Stadt Linz, die über Jahrzehnte eine Linie der »zukunftsweisenden
neuen Medien« verfolgt, war die Stadtwerkstatt immer ein Ort
der kritischen Betrachtung, des Experiments, der Forschung und der
Erneuerung. Dieser Dialog trieb während des Zeitalters dieser
Medienkunst seine Äste, »Radio Fro« und »servus.at«
entstanden im Haus Kirchengasse 4. Die Stadtwerkstatt ist kleiner
und flexibler und tut sich bei einer kritischen Betrachtung natürlich
leichter.
Nicht nur die Stadt Linz mit ihrem »Museum der Zukunft«
hat durch die Unschärfe des Begriffs »Medienkunst«
ihre Probleme. Auch in den Universitäten, bei verschiedensten
Künstlerorganisationen und EinzelkämpferInnen zeigen sich
bereits entgegengesetzte Positionen. Die Medienkunst war auch für
die Stadtwerkstatt ein harter Brocken. Eine wichtige Komponente war
sicher die Komplexität des Internets, das sich Mitte der 90er
Jahre breit gemacht hat. Eine weitere Komponente liegt aber sicher
auch in den älter werdenden Akteuren, bei denen das gute alte
analoge Zeitalter und die Geschichte der Medienkunst nicht spurlos
vorübergegegangen sind. Noch heute trauern Personen im STWST-Umfeld
und der Politik um die Großprojekte von
Stwst-TV.
Gerade im Zeitalter, in dem von der Politik die Direktive »Kunst
muss Massenkompatibel werden« ausgegeben wird, und die Ausstellungen
nicht groß genug sein können, würden sich die alten
Stwst-TV Projekte gut einreihen. Aber meine lieben Leute, seht es
endlich ein, die Zeiten haben sich geändert, mit dem Internet
haben sich die Werte gedreht. Diese Zeiten sind vorbei. Und wenn Ihr
das nicht begreifen wollt, wird Euch die Realität einholen (siehe
Systemkrise, die bis in die Finanzstruktur der Stadt Linz geht).
Ohne kontinuierliche Hinterfragung der Systeme werden die blinkenden
Lichter einer ganzen Stadt auch rasch wieder verlöschen.
In unserer Interviewreihe mit Personen, die sich vor dem Zeitalter
des Internets mit Kunst und den neuen Medien beschäftigten, zeichnet
sich ein immer schärferes Bild des »Mythos Medienkunst«
ab diesmal ist mein Gesprächspartner Georg Ritter.
Versorgerin: Hallo Georg. Ich hab es bis jetzt vermieden,
Linzer KünstlerInnen zu befragen. Es geht bei der Interviewreihe
um die Zeit Anfang der 80er Jahre bis Mitte der 90er Jahre. Viele
KünstlerInnen, die ich befragt habe, erlebten in dieser Zeit
eine Aufbruchsstimmung. Der Computer war ein neues Medium, und es
gab vieles zu probieren. Dadurch entstanden viele Labore und Experimentierfelder.
Mitte der 90er Jahre legte sich diese Euphorie. Es kommt mir so vor,
als ob sich mit Aufkommen des Internets die Kunstszene (vor allem
die Medienkunstszene) geerdet hat. Wie hast du diese Zeit erlebt?
Georg Ritter: Inwieweit man von Euphorie sprechen kann, sei
dahingestellt. Fakt ist aber, dass sich die Arbeitsbedingungen massiv
verändert haben. Wir, die zuvor meist rumgeschleppt haben, landeten
am Schreibtisch vor dem Bildschirm. Und der Besen wurde mit der Tastatur
getauscht. In den 80er Jahren war der Hof der Stadtwerkstatt in der
Friedhofstraße ein Sammelplatz, ein Lager für Sperrgut,
das war gleichzeitig auch Ressource für Installationen und Kulisse
für die Stadtwerkstatt-Bühne, und diente für filmische
und musikalische Prozesse. Die eingesetzte Technik S8, später
dann mit Video Betamax und VHS, oder später auch Umatic-Lowband,
im Audiobereich wurde meist mit Kassettendecks gearbeitet, wobei der
Löschkopf zugeklebt wurde, um ein mehrkanaliges Arrangement zu
bewerkstelligen. In den 90ern sind dann alle hinter dem Bildschirm
geklebt und haben kaum aufgesehen, wenn jemand den Raum betreten hat.
Versorgerin: Also die Technologie wurde ein Teil der künstlerischen
Arbeit. Vorhandene Technologien wurden also nicht einfach übernommen,
sondern von den KünstlerInnen zuerst analysiert, um dann vielleicht
in modifizierter Form neue künstlerische Möglichkeiten zu
schaffen.
Wurde der Eingriff in die Technologie nicht dadurch ein Teil des Werkes?
Ich erinnere mich, dass damals viele KünstlerInnen ein/e TechnikerIn
»bei Fuß« hatten, um »kreative Technologie«
mit einzubinden.
Dadurch stellt sich natürlich die Frage, wie weit kann und sollen
sich KünstlerInnen auf Technologien einlassen?
Georg Ritter: Was die Technologie betrifft, so ist sie immer
Teil der künstlerischen Produktion bei der Herstellung von Form.
Nicht nur für uns war die Frage nach den Produktionsmitteln unmittelbare
Angelegenheit der Kunst und Kulturarbeit der Stadtwerkstatt. Der Begriff
»das Medium is the Message« schwebte wie ein Wolke in
und über unseren Köpfen. Es genügte nicht nur Pinsel
und Farbe, sondern die Frage nach der Verfügbarkeit der Werkzeuge
spezieller zeitbasierter Medien spielte eine bedeutende Rolle in unseren
Diskursen. So konnte einerseits das Prozesshafte und das Situationistische,
also der Moment, auf die Situation zu reagieren, besser dokumentiert
werden. Anderseits konnte auch der Dialog, der Moment der Interaktion
mit den BenutzerInnen des Systems Stadtwerkstatt und das Verständnis
zum Begriff des Öffentlichen Raums mit den »neuen Technologien«
in Angriff genommen werden. Was unser Selbstverständnis angeht,
so waren wir weniger Lab oder experimentell, wir verstanden uns mehr
als Initiative zur Anstiftung zur Initiative. Wir wollten, dass sich
die Menschen emanzipieren, selber aktiv werden, und ihre Sachen und
Anliegen selbst in die Hand nehmen. Natürlich sind bei den immer
komplexer werdenden Produktionen von Stwst-TV und Stwst-Telepräsenz
TechnikerInnen involviert gewesen, aber das finde ich weniger problematisch.
Natürlich kann ich, wenn ich es darauf anlege, alles selber machen,
zum Beispiel ein Haus bauen, wie auch immer es ausschauen und funktionieren
mag. Aber der Austausch und Einsatz von Techniken und Technik bleibt
unbenommen. Da gibt es natürlich immer ein Eigenleben der Technik,
aber wenn die Idee klar ist, dann ist die Technik das Mittel, die
Idee umzusetzen.
Versorgerin: Ich habe die Zeit damals miterlebt. Stwst-TV
war ein Ergebnis aus einem Dialog. Neben dem Ansatz »Anstiftung
zur zu Initiative« gab es auch noch andere Positionierungen.
Damals sind auch die beiden heute noch aktiven Vereine FRO
und SERVUS entstanden. Aber die Geschichte der STWST soll hier
nicht das Thema sein. Wichtig sind die Ursachen, warum sich mit Aufkommen
des Internets alles änderte. Ich bin ja der Meinung, dass einige
Forderungen der Medienkunst mit dem Internet eingelöst wurden.
Bezüglich der Telepräsenz wurde jeder Benutzer mit dem Netz
auch gleichzeitig zum Sender. Dies endete teilweise in exzessiven
Chats. Ich kann mich an den Chat-Kanal Schlonz erinnern, der von der
Stadtwerkstatt und dem Futurelab betrieben wurde. Bei mir waren es
teilweise auch noch exzessive Mailkontakte (mit bis zu 2000 geschrieben
Mails pro Tag). Ein Seelenstriptease der Sonderklasse, eine direkte
Kommunikation, bei der alle Sinnesorgane ausgeschaltet wurden. Wurden
vielleicht durch diese Situation die herkömmlichen künstlerische
Ausdrucksformen »ad absurdum« geführt?
Georg Ritter: Das Internet hat vieles eingelöst, was an
Ansprüchen und Forderungen im Raum stand. Im Happening-Verständnis
von Stadtwerkstatt ging es um multimediale, nicht hierachische Begegnungen
und Ereignisse, bei denen alle Beteiligten die Option haben sollten,
sich einbringen zu können. Es gab mannigfaltige Bemühungen
von verschiedenster Seite, solche Kommunikationssituationen herzustellen,
aber oft war der Anspruch höher, als das, was eingelöst
worden ist. Im Falle von Stwst-TV konnte man faktisch nur über
Telefon von Außen das Geschehen mitgestalten. Van Gogh TV »Piazza
Virtuale« versuchte möglichst auch Bilder per Fax und PC
zu integrieren. Was da nachträglich so auffällt, ist, dass
damals zwangsläufig das »Hier und Jetzt« von enormer
Bedeutung war, was ja mit dem Internet jetzt anders läuft. Ich
kann mich in Prozessen beteiligen, aber teile mir das nach meiner
eigenen Zeit ein. Der Prozess ist also fließend geworden, nicht
mehr bedingt von einem zeitlich vorgegebenen Rahmen, wie bei den diversen
Versuchanordnungen, bei den diversen Ars-Projekten.
Wir hatten also nur temporär die Möglichkeit, solche Situationen
herzustellen, die jetzt rund um die Uhr im Netz stattfinden. Was die
herkömmlichen Ausdruckformen betrifft, bin ich mir nicht sicher,
ob sie ad absurdum geführt sind. Der Wandel in der Wahl der Mittel
ist schon früher mit Ready Made und erweitertem Kunstbegriff
eingeleitet worden.
Ich denke aber insgesamt hat nicht das Internet die Träume und
Hoffnungen platzen lassen, sondern die ökomonische Realität
und die Komplexität virtueller Strukturen. Im Umbruch in den
90er Jahren haben sich letzendlich all die durch enorme Kraftanstrengung
geschaffenen intermedialen Labore vor allem wegen finanziellen Problemen
mehr oder weniger aufgelöst. Sei es Stwst-TV und Stwst-Telepräsenz,
Van Gogh TV, die ja mit der »Worlds Within« interaktive
Multiuserwelten mit eigenen Client/Server geschaffen hatten, oder
auch Kunstlabor. Times up konnte sich am ehesten bis heute darüber
retten.
Die Grätsche, TechnikerInnen in künstlerische Prozesse längerfristig
einzubinden, lässt sich kaum durchsetzen. Siehe Futurlab im AEC,
das ja hauptsächlich als Dienstleister in der Präsentationsarchitektur
mehr oder weniger als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Museum
agiert, das hat sich schon lange von der Kunst verabschiedet. Wie
schwierig der gesamte Sachverhalt ist, lässt sich auch im Bezug
auf die Archive festmachen. Selbst im noch überschaubaren Bereich
des Videos lottern irgendwo völlig unaufgearbeitet die Videokassetten
in all den unterschiedlichen Formaten rum. Also ich glaube, diese
Problematik hängt gar nicht so sehr vom Internet ab, obwohl sich
ja dort digitale Inhalte vermeintlich leicht archivieren lassen müssten.
Da braucht es aber immer einen starken instititionellen Rahmen. Selbst
das AEC
ist mit dem LBI (Ludwig Bolzmann Institut) mit der Aufarbeitung der
Geschichte des AECs gescheitert.
Als Output dieser Vorgänge hat sich Stadtwerkstatt in den Angewandten
Bereich transformiert und hat in den 90ern das freie Radio Fro und
den Kunst- und Kulturserver Servus.at mitaufgebaut. Die Ära der
Medienkunstprojekte hat sich dann noch bis in die 2000er Jahre unter
anderem mit »fore golf egoshooter« noch halten
können. Interessant ist auch der Umstand für mich, dass
ich mich sozusagen zur Zeichnung zurückgezogen habe. Mehrfach
das Gegenteil von virtueller Realität. Ein einfaches Medium,
ein Blatt Papier und ein Stift.
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