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Radio FRO 105.0 MHz
Die Stimme
deines Wunsches
Radio FRO steht
in losem Kontakt mit mehreren Radioprojekten rund um den Globus. So
kam der Reinerlös des letztjährigen FRO-Festes dem Radioprojekt
»Palabra de Mujer«, einem feministischen Radioprojekt
in Nicaragua, zugute. Tina Füchslbauer ist derzeit in Bolivien
und hat dort ein ähnlich gelagertes Projekt besucht. Die feministische
Bewegung Mujeres Creando (zu Deutsch in etwa: Frauen, die erschaffen)
macht in Bolivien seit 1992 durch politische und künstlerische
Aktionen auf sich aufmerksam und ist mittlerweile bis in unsere Breiten
bekannt. In der »Virgen de los Deseos« (Jungfrau der Wünsche),
dem Haus der Bewegung in La Paz, befindet sich neben einem Café-Restaurant,
einer Buchhandlung, einer Kinderbetreuungsstätte und einer Frauenberatungs-stelle
das Radio »Deseo« (Wunsch) und die Radioschule »La
Voz de mi Deseo« (Die Stimme meines Wunsches). Tina Füchslbauer
sprach mit Helen Alvarez, »mujer creando« und Leiterin
der Schule, über ihre Arbeit und den Machtmissbrauch der Medien.
Das Radio »Deseo« gibt es seit dem Jahr 2007. Warum
habt ihr 2009 entschieden, eine Radioschule zu eröffnen?
Eine Sache, mit der wir als soziale Bewegung von Anfang an konfrontiert
sind, ist wie die verschiedenen Kommunikationsmedien Stereotypen kreieren
und wie sie Menschen, die keine politische oder ökonomische Macht
und deshalb keinen Zugang zu Medien haben stigmatisieren.
Das haben wir von Mujeres Creando am eigenen Leib gespürt: entweder
sie demütigen oder sie kriminalisieren dich. Wenn wir zum Beispiel
Aktionen gestartet haben, sind diese entweder gar nicht erwähnt
worden oder auf kriminalisierte Art und Weise. Und das erzeugt natürlich
ein negatives Bild in der Gesellschaft. Dasselbe passiert vielen anderen
Menschen und Gruppen. Deshalb träumten wir von einem eigenen
Kommunikationsmedium und 2007 haben wir uns diesen Wunsch mit dem
Radio Deseo erfüllt. Wir haben unser Radio immer als offenen
Raum für alle, die etwas in der Gesellschaft verändern und
öffentlich anklagen wollen, gesehen. Wir wollen den Menschen
die Möglichkeit geben, selbst das Wort zu ergreifen, in erster
Person zu sprechen. Die erste konkrete Anfrage gab es von den »Trabajadoras
del Hogar« (Hausangestellten1). Sie wollten einen Platz im Radio
bekommen und wir wollten sie auch bei uns haben. Aber charakteristisch
für Radio Deseo ist die hohe Qualität seiner Produktionen.
Wir haben nicht einfach ein offenes Mikrofon, in das jede/r sprechen
kann, wie er/sie will. Also war klar, dass wir zumindest ein Minimum
an Kenntnissen vermitteln müssen, wie man eine Radioproduktion
macht. Und so wurde die Idee geboren, eine Radioschule zu eröffnen.
Was sind die Kriterien? Welche Gruppen nehmt ihr in die Radioschule
auf?
Die Personen oder Gruppen, mit denen wir arbeiten, haben als fundamentale
Eigenschaft, dass sie eben durch die Medien ausgegrenzt, kriminalisiert,
stereotypisiert worden sind. Weiters müssen sie etwas Konkretes
zu sagen haben und sie selbst müssen die ProtagonistInnen dessen
sein, was sie der Gesellschaft durch das Radio mitteilen wollen. Alles,
was wir in der Schule machen, wird dann im Radio übertragen.
Eure Bewegung ist feministisch, aber das Radio ist breiter gestreut,
nicht wahr?
Ja, lange Zeit gab es duch die Medien eine sehr krasse Berichterstattung
darüber, was Mujeres Creando sind und tun. Das Radio hat uns
erlaubt, unsere Vision von Feminismus und wie wir die Gesellschaft
transformieren wollen, zu verkünden und die Leute können
sich jetzt ein Bild davon machen, was Mujeres Creando wirklich ist.
Es gab immer das Vorurteil, dass nur Feministinnen hierher kommen
können, dass nur Frauen Zutritt bekommen, aber die Schule ist
auch offen für Gruppen, die nicht feministisch sind, die aber
Lust haben, etwas in der Gesellschaft zu verändern. Natürlich
gibt es auch Limits. Zum Beispiel gibt es keinen Zutritt für
MitarbeiterInnen von NGOs, denn wir wollen uns nicht in einen Boxring
der NGOs, die ja hier in unserer Gesellschaft eine sehr invasive Rolle
gespielt haben, verwandeln. Es kommen auch keine autoritären
Personen hier rein. Wer mitarbeiten will, muss sich von seinen Ämtern
und der vertikalen Struktur seiner Organisation lösen. Die Hausangestellten
zum Beispiel kamen alle von unterschiedlichen Gewerkschaften, in denen
es sehr starke Hierarchien gibt. Wir definierten also ganz klar, dass
sie hier nicht als Abgesandte ihrer Gewerkschaften agieren, sondern
hier sind, um mit der Thematik zu arbeiten, um die ausbeuterischen
Arbeitsverhältnisse anzuklagen, um die Mechanismen aufzuzeigen,
wie junge Frauen angeworben werden, um über Frauenhandel, Prostitution
und sexuelle Ausbeutung zu sprechen. Mittlerweile haben wir völlig
vergessen, wer welcher Gewerkschaft angehört. Symbolisch dafür
sind die Fußballspiele, die sie jährlich veranstalten.
Früher hat jede für das Team ihrer Gewerkschaft gespielt,
jetzt spielen sie gemeinsam im Team des Radios.
Natürlich gewähren wir auch keinen Rassisten, Homophoben,
Misogynen [»Frauenhassern«, Anm. d. Red.] Zutritt, auch
keinen religiösen Gruppen oder Sekten. Einige haben versucht,
sich einzuschleichen, aber unsere Teams haben so gut reagiert, dass
es nicht einmal notwendig war, jemanden rauszuwerfen, die sind freiwillig
wieder gegangen. Alle hier sind schon in dieser Dynamik von Respekt
und Horizontalität.
Bei deinem Geburtstagsfest fand ich es sehr schön, dass
die Cholas2, die Schwulen, die Lesben miteinander getanzt und gefeiert
haben. Normalerweise leben sie in unterschiedlichen Welten, treffen
nicht aufeinander.
Klar, das war für alle ein sehr starker Prozess. Zu Beginn hatten
die Frauen Angst, hierher zu kommen, es wurde ihnen gesagt, sie wären
Lesben, wenn sie hierher kämen. Aber sie haben neue Arten von
Beziehungen kennengelernt, haben auch Kontakt zu Männern und
Frauen, die sämtlichen Zugang zu Bildung hatten, und dennoch
sind sie diejenigen, die denen zeigen, wie man eine Radiosendung macht
und sie sind für viele die Motivation, auch ein Programm zu machen.
Das ist sehr schön anzusehen. Sie haben es jenen, die ihnen das
nicht zugetraut haben, gezeigt. Und es sind interessante Beziehungen
der Solidarität und des Respekts entstanden. Die Hausangestellten
zum Beispiel, die aus sehr konservativen Gemeinden voller Tabus kommen,
stehen hier in gleichberechtigter, wertschätzender Beziehung
zu den homosexuellen Frauen und Männern. Das hat sie dazu gebracht,
ihre eigene Situation der Ausbeutung zu reflektieren. Und zu schauen:
»Wie geht es mir mit dem Anderen, dem Fremden?« Uns hat
es natürlich erlaubt, umgekehrt dasselbe zu machen, Barrieren
zu überschreiten. Und über Themen zu sprechen, die bisher
nicht hinterfragt wurden. In der Welt der Aymara3, wurde beispielsweise
das Thema der sexuellen Gewalt nicht angesprochen. Für sie existierte
die Vergewaltigung nicht. Es wurde als völlig normal angesehen,
dass sich der Mann die Frau nehmen kann, wann er will. Das wird jetzt
in Frage gestellt und gesehen, dass es eine Art ist, sich den weiblichen
Körper anzueignen. Derzeit arbeiten die Hausangestellten an einem
Programm, das völlig neu ist: Sie werden über Sexualität
sprechen. Und über Lust. Früher kamen sie nur dann in den
Medien vor, wenn sie ein Delikt begangen, zum Beispiel etwas gestohlen
hatten. Also auf sehr stigmatisierte Art und Weise.
Die Männer der Gruppe »Soy marique4 y que?« (Ich
bin eine Schwuchtel, na und?) machen gerade eine Sendung über
Homosexualität in der Welt der Aymara und was die Jungen, die
ihre Dörfer verlassen mussten, berichten, steht in krassem Gegensatz
dazu, was von den Dorfanführern öffentlich deklariert wird;
nämlich, dass sie die sexuellen Orientierungen ihrer Mitglieder
akzeptieren würden. Wir wissen, dass dies nicht der Fall ist.
Diese Doppelmoral gilt es aufzuzeigen.
Und welche Reichweite hat das Radio? Ihr werdet ja auch im Ausland
gehört.
Wir haben kein Rating, weil so eine Studie würde viel Geld kosten.
Aber es gibt andere Parameter, die wir verwenden, um zu messen, wieviele
ZuhörerInnen wir haben. Zum Beispiel die Anzahl der Personen,
die unsere Beratungsstelle »Mujeres en busqueda de Justicia«
(Frauen auf der Suche nach Gerechtigkeit) aufsuchen, unsere Kindertagesstätte,
die Radioschule. Darüber hinaus, wieviele Werbungen in Auftrag
gegeben werden, denn die sollen ja auch auf ein breites Publikum treffen,
wieviele Menschen etwas über das Radio verlautbaren wollen. Und
im Chat unserer Homepage teilen uns die Leute mit, was sie denken.
Sie schreiben uns da auch: »Ich höre euch von Japan aus.
Ich höre euch von Europa aus zu. Ich höre euer Radio in
den frühen Morgenstunden in Spanien.« Man kann uns ja live
über das Internet hören.
Gibt es Reaktionen der anderen Kommunikationsmedien?
Ja, alle kriegen mit, was wir machen. Und das sind alle Medien von
La Paz: Radio, Presse, Fernsehen, alle sind gekommen um Reportagen
über unsere Radiogruppen zu machen. Klar, weil es ist ja wirklich
erwähnenswert, was wir machen. Dieselben Medien, die uns früher
diskriminiert haben, kommen jetzt angelaufen.
Mit welchen Gruppen würdest du noch gerne arbeiten?
Nun, wir haben hier noch eine Gruppe von blinden Menschen, die auch
ihr Programm haben, wir haben mit Kindern gearbeitet, wir haben die
Gruppe »Asamblea Plurianimal« (eine Tierschutzgruppe).
Ich würde sehr gerne mit Frauen im Gefängnis arbeiten, mit
Menschen in der Psychiatrie...
So wie das Radio Colifata5 in Buenos Aires...
Ja, genau. Es würde mir auch gefallen, mit Menschen zu arbeiten,
die unterschiedliche Formen von Behinderung haben. Denn im Falle der
Menschen mit Behinderung fallen die Medien in das andere Extrem, nämlich
in das der Viktimisierung. Außerdem fände ich die Arbeit
mit Prostituierten interessant. Aber das sind natürlich lange
Prozesse.
http://www.radiodeseo.com/
http://www.soytrabajadoradelhogar.blogspot.com
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Autorin: Tina Füchslbauer, Sozialarbeiterin,
ist gerade für einige Monate in Argentinien und Bolivien unterwegs,
um ihren Horizont zu erweitern und hat dabei Mujeres Creando kennengelernt.
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[1] In Bolivien ist es nach wie vor üblich, dass
Familien der Mittel- und Oberklasse eine Hausangestellte haben. Häufig
wohnen diese im selben Haushalt. Die Frauen gehören überwiegend
der indigenen Bevölkerung an; Ausbeutung jeglicher Art ist ein
häufiges Phänomen.
[2] Frauen (in diesem Falle die Hausangestellten) in traditioneller
Kleidung.
[3] Die Aymara sind nach den Quechua die zweitgrößte indigene
Bevölkerungsgruppe in Bolivien.
[4] Das Wort »Marique« ist die Kurzform von »Maricón«,
was hier eigentlich als Schimpfwort (deshalb die Übersetzung:
»Schwuchtel«) verwendet wird. Die schwulen Männer
der Radiogruppe spielen mit ebendieser Wortwahl.
[5] http://lacolifata.openware.biz/index.cgi
Die
Stadt blutet
Der
Kurs des Schweizer Franken wird derzeit in Linz ganz genau beobachtet.
Kein Wunder. Für Linz geht es dabei um Millionen. Kostet ein
Euro (wie derzeit) 1,1 Franken, so muss die Stadt Mitte Oktober 35,3
Millionen Euro an die BAWAG bezahlen. Fällt der Euro gegenüber
dem Franken um nur ein Zehntel, also auf einen Tauschkurs 1:1 so müsste
die Stadt im Oktober 52,5 Millionen Euro an die Bawag überweisen.
Also um 17,2 Millionen mehr als bei einem Kurs 1:1,1.
Grund dafür ist eine Wette, die die Finanzverwaltung der Stadt
2007 mit der BAWAG eingegangen ist. Damals hatte die Stadt einen Mitte
1992 aufgenommenen Franken-Kredit ausständig. Die Höhe des
jährlich anfallenden Zinsendiens-tes hing auch vom Wechselkurs
Euro zu Franken ab. Dieser Zinsendienst bildete nun die Grundlage
der Wette. Kostet ein Euro mehr als 1,54 Franken so bezahlt die BAWAG
die Zinsen der Stadt, und wenn der Franken noch weiter fällt,
be-kommt die Stadt sogar noch was drauf. Steigt der Franken aber gegenüber
dem Euro, so muss die Stadt der BAWAG Geld geben. Cooler Deal, dachte
sich die Stadt wohl, hat sie doch angenommen, dass der Franken nie
wieder so hoch steigen wird, wie nach den Anschlägen auf das
World Trade Center 2001. Damals flüchtete viel Kapital in die
Schweizer Währung und der Euro kostete 1,446 Franken. Bis 2008
ging das Ganze auch gut und die Stadt war Gewinnerin des Deals. Als
sich 2008 abzeichnete, dass die Sache für die Stadt schief laufen
könnte, machte die BAWAG der Stadt mehrere Angebote, sich aus
der Wette heraus zu kaufen. Finanzstadtrat Johann Mayr, ganz cooler
Zocker, wies all diese Angebote als zu teuer zurück. Seit 2010
gehen die Zahlungen der Stadt an die BAWAG in die Millionen und der
vorherige Gewinn ist längst aufgebracht. Die Prognosen für
die Stadt stehen nicht zum Besten, denn jetzt wehrt sich die BAWAG
gegen einen vorzeitigen Ausstieg aus dem bis 2017 abgeschlossenen
Geschäft. Nun fiebert die Stadt jedem 13. Oktober und 13. April
entgegen. Denn zum aktuellen Kurs an diesen Tagen (15.00 Uhr) richtet
sich die Höhe der Zahlung, die die Stadt zu leisten hat. Und
der jeweilige Betrag ist zwei Tage später auch schon fällig.
Die Stadt versucht nun, durch juristische Mittel aus der Wette heraus
zu kommen, behauptet gar, dass die Wette gar nicht gilt, weil Finanzamtsdirektor
Werner Penn, der sie via E-Mail eingegangen ist, zu so einem Geschäft
gar nicht befugt war. Das ist natürlich ein schwaches Argument,
wenn man zuerst selbst kassiert und dann, wenn man selbst zur Kasse
gebeten wird sagt, dass der, der den Handschlag gegeben hat, das gar
nicht hätte machen dürfen.
Abgesehen von diesem etwas windschief wirkenden Argument gibt es aber
tat-sächlich eine auffallende Schräglage. Während nämlich
der potenzielle Wettver-lust der BAWAG mit 15 Millionen pro Halbjahr
gedeckelt ist, sind die möglichen Verluste der Stadt quasi unbegrenzt.
So könnte falls der Euro unter den Franken fällt
und zum Beispiel ein Euro 0,8 Franken kostet eine halbjährliche
Zahlung von 112,9 Millionen Euro ins Haus stehen. Und das auf Grundlage
eines Kredites über 195 Millionen. Zudem ist bis heute nicht
bekannt, wer eigentlich der wirkliche Wettgegner der Stadt ist. Denn
die BAWAG hat diese Wette nur vermittelt (europaweit gibt es angeblich
nur 4 Anbieter dieses »Produktes«.)
Bei aller Undurchsichtigkeit ist doch klar zu erkennen, dass die Wettspiele
des Finanzsektors sich immer wieder als skrupellose Machenschaften
entpuppen. Hier wird die Gier, die Geltungssucht oder vielleicht auch
nur der gute Wille der handelnden Personen ausgenutzt, um sie in Geschäfte
zu verstricken, die bewusst so gestaltet sind, dass sie undurchschaubar
sind. In anderen Zusammenhängen würde man das als »kriminelle
Energie« bezeichnen. Im Finanzsektor gilt es als besonderes
Geschick der Finanzjongleure.
Zum Abschluss noch ein praktischer Rat: Ich mit meinem kleinen Hausverstand
würde einfach den der Wette zugrundeliegenden Kredit von 195
Millionen zurück zahlen und damit diesem windigen Geschäft
die Basis entziehen.
Kommentar
der Woche jeden Dienstag auf Radio FRO
Im
FROzine, dem werktäglichen Infomagazin auf Radio FRO, hören
Sie zwischen 18.00 und 19.00 Uhr jeden Dienstag einen aktuellen »Kommentar
der Woche«.
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Autor: Andi Wahl, Geschäftsführer von
Radio FRO 105.0.
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