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Online-Aktivismus
Vom
10.8 - 14.8.2011 fand in Finowfurt (in Brandenburg ca. 40 km nordöstlich
von Berlin) das alle vier Jahre veranstaltete »Chaos Communcation
Camp« statt. Mehr als 4000 Hacker_innen campierten bei widrigen
Wetterverhältnissen fünf Tage lang auf einem ehemaligen
Luftwaffenstützpunkt der Roten Armee. Peter Wagenhuber von servus.at
war mit dabei.
»Hackers In Space« so das diesjährige Motto
der Veranstaltung. Nachdem in den letzten vier Jahren weltweit sog.
»Hackerspaces«, Orte/Vereine, an denen sich Hacker_innen
zum gemeinsamen kreativen Schaffen mit elektronischen Spiel- und Werkzeugen
treffen, gegründet wurden, soll diese weltweit vernetztes Potenzial
an Wissen nun dazu genutzt werden, um den Weltraum zu erobern. Im
ersten Schritt soll ein freies Netzwerk an Kommunikationssatelliten
enstehen, um den zunehmenden Zensurbestrebungen im Internet etwas
entgegenzusetzen. Ob dies auch verwirklichbar ist, wird sich zeigen.
Das technische Interesse und das Talent sind auf alle Fälle vorhanden.
Hacker (hier verwende ich absichtlich die rein männliche Bezeichnung,
da in unseren vielgeliebten Massenmedien die Vorstellung von Hacker-innen
offenbar nicht existiert und Frauen leider immer noch schwer
unterrepräsentiert sind in dieser Community) waren in letzter
Zeit ja des öfteren auch in den Medien. Gruppen wie »Anonymous«,
»LulzSec« oder in Deutschland die »No Name Crew«
machten sich auf, um verschiedenste Webauftritte von kleineren oder
größeren Organisationen und Institutionen umzugestalten
(»defacen«1) und/oder um Daten aus schlecht gesicherten
Netzwerken zu kopieren. Meist sind davon Institutionen betroffen,
die in irgendeiner Weise persönliche Daten speichern und/oder
verarbeiten bzw. staatsnahe Organisationen oder Parteien.
Es stellt sich die Frage, wie diese Aktionen einzustufen sind, ob
es gesellschaftliche oder politische Ziele gibt, die damit verfolgt
werden.
Diesen Fragen widmete sich einer der Vorträge auf dem Camp.2
Ausgehend vom ersten Aufkeimen eines »Hacktivism« Mitte
der
90er Jahre des vorigen Jahrtausends wurde der Bogen bis zu den
aktuellen Hack-Ereignissen gespannt.
Als Mitte der 1990er das Internet immer mehr Verbreitung fand und
die sogenannte »Antiglobalisierungsbewegung« immer stärker
wurde, war es fast eine logische Konsequenz, dass sich der Aktionsraum
des politischen Protests und Aktivismus auch auf den virtuellen Raum
ausdehnt. Zu dieser Zeit waren die Aktionen im Netz meist sehr stark
politisch inhaltlich geprägt und auch die Aktionsformen, nach
denen im »realen« Raum benannt, wie z.b. »Online
Demonstration«. 2001 fand zum Beispiel eine solche im Rahmen
der Proteste gegen Abschiebungen der deutschen Lufthansa statt (»Deportation
Class«3). Rein technisch war diese »Demonstration«
ein sog. »Distributed Denial of Service (DDoS)«. Das heißt,
dass von vielen Rechnern gleichzeitig Anfragen an die Server von Lufthansa
geschickt wurden, um diese zu überlasten. Diese Form der Demonstration
wurde später auch versucht zu kriminalisieren, aber letztlich
ohne Erfolg, sie wurde schließlich vom Oberlandesgericht Frankfurt
als solche anerkannt.
Der Online-Aktivismus von heute zeigt dagegen ein anderes Bild. Politische
Grundsatzerklärungen von »Anonymous« oder »LulzSec«
sucht mensch vergebens, auch sind diese »Gruppen« keineswegs
statisch oder homogen sondern vielmehr eine Art Label, unter dem von
verschiedensten Menschen rund um den Globus die Webauftritte gewisser
Firmen oder staatlicher Organisationen »angegriffen« werden.
Gewisse politische Stoßrichtungen sind jedoch immer noch erkennbar.
So werden hauptsächlich jene Organisationen mit Protest bedacht,
die entweder durch massives Sammeln von personenbezogenen Daten, die
meist auch noch schlecht gesichert gespeichert werden, die Privatsphäre
potenziell gefährden (wie es bei der Website der G.I.S. in Österreich
der Fall war) oder die versuchen, Freiheiten im Realraum sowie im
Netz einzuschränken (politische Parteien, Geheimdienste, Polizeiorganisationen,
...). Diese Freiheiten, die es da zu »verteidigen« gilt,
sind aber auch nicht näher definiert, somit lässt sich auch
schwer von einer dezidiert politischen Bewegung sprechen.
Immerhin erreichen einige der Aktionen ein sehr breites Medienecho,
das zumindest das Potenzial hat, Missstände aufzuzeigen. Leider
folgt meist aber keine politisch inhaltliche Debatte, sondern eher
eine Kriminalisierung der Aktivist_innen.
Durch die extrem lose Struktur fehlt es aber auch an Solidarstrukturen
wie einer Rechtshilfe im Fall von strafrechtlicher Verfolgung. Diese
Verfolgung gibt es nicht zu knapp. Nachdem gerade von staatlicher
Seite immer wieder versucht wird, Proteste zu kriminalisieren, wird
im Zusammenhang mit solchen Aktionen gern von Internetkriminellen
oder Cyberterroristen gesprochen. Die Strafen dafür sind auch
oft drakonisch (in manchen europäischen Ländern wird das
Teilnehmen an DDoS Angriffen mit bis zu sechs Jahren Gefängnis
bedroht).
Durch die verstärkte Verlagerung unserer Kommunikation und damit
auch von Meinungsbildung, der Geschäfte und der staatlichen Verwaltung
ins Internet ist es nur logisch, dass sich Protest auch dort äußert.
Es wird sich weisen, ob dieser Protest wirksam genug ist, um die totale
Überwachung und anrollende Zensur zu verhindern.
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[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Defacement
[2] http://events.ccc.de/camp/2011/Fahrplan/events/4560.en.html
[3] http://www.noborder.org/archive/www.deportation-class.com/log/en130301.html
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