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Lieber im Konzert als auf Vernissagen
Emil
Rabe sprach mit dem in Linz aufgewachsenen, nun in Wien lebenden Künstler
Adam Bota über seine Malerei, Musik und den Underground.
Seine früheren Arbeiten waren von einem gegenständlich-figurativen
Stil geprägt. In den letzten Jahren ist in Adam Botas Arbeiten
hingegen eine zunehmende Abstrahierung zu sehen. Seine wiederkehrenden
Themen sind Gewalt, Körper, Sex, gescheiterte Existenzen und
der ganz normale Wahnsinn. Gegenwärtig werden seine Bilder in
der Galerie Wolfsen in Dänemark ausgestellt. Kommende Projekte
sind »Untitled« Biennale in Istanbul und die Nordic
Art Fair in Kopenhagen.
Seit 2009 arbeitest Du an Deiner neuen Serie Sekundenschlaf,
die sich doch merklich von Deinen früheren Arbeiten unterscheidet.
Ich male intensiv, seit 10 Jahren fast jeden Tag. Dabei bearbeite
ich oft jahrelang ein Hauptthema oder eine Serie. Alle 2-4 Jahre vollziehe
ich dann eine künstlerischer Häutung. Es ist als würde
ich auf einen Zug aufspringen, den ich Wagon für Wagon, Kabine
für Kabine durchschreiten muss. Ich sehe, dass es hier etwas
zu entdecken gibt und verlasse die alten Pfade. Die alten Sachen nehme
ich dabei mit und komme nicht komplett neu in die Welt das
wäre ohnehin nicht möglich. Sekundenschlaf war der
Beginn einer neuerlichen Häutung.
Bei einem der ersten Bilder der Serie, sieht man einen in einer
Couch versunkenen Mann.
In einem Wiener Café entdeckte ich zufällig diesen alten,
verwirrten und seiner Erscheinung nach gebrochenen Mann. Er gehört
sozusagen zum Inventar, sitzt fast immer an der gleichen Stelle und
wird von den Besuchern des Cafés kaum noch beachtet. Wenn im
Lokal Party gefeiert und es eng wurde, stiegen die Leute über
ihn hinweg, als wäre er nicht existent. Einmal saß er auf
der Couch und erwachte alle paar Minuten aus einem Delirium, um mit
sich selbst oder mit der Luft zu sprechen. Dieser Mann, diese Figur
faszinierte mich. Ich beobachtete ihn mehrere Monate und begann, ihn
mit dem Handy zu fotografieren. Dabei entdeckte ich durch Zufall,
dass sich die Bilder auf dem Handy, im Halbdunkeln fotografiert, aufpixeln.
Im Gegensatz zu digitalen Kameras werden die Fotos nicht unscharf,
sondern stärker gerastert. Als ich dann die Bilder studierte,
wurde ich auf eine neue malerische Qualität und ein Potenzial
gestoßen. Ich wusste sofort: hier ist meine neue Serie. Das
war der Ausgangspunkt von Sekundenschlaf mit diesem Mann als
Hauptfigur.
Auffällig bei Deiner neuen Serie sind die verschwindenden
Konturen. Die Gesichter der Figuren verschwinden in den Schatten.
Der malerische Prozess beginnt bereits beim Fotografieren. Durch Änderung
der Einstellungen, der Lichtverhältnisse, heranzoomen des Objekts,
etc. beeinflusse ich die Pixelmatrix. Beim Malen begann ich diesen
Prozess der Auflösung weiterzuführen und auszubauen. Auf
dem Bild verwächst der Mann, seine Kleidung mit dem Sofa, der
Umgebung und der Luft. Objekte und Gegenstände lösen sich
auf und fließen ineinander.
Vereinsamte und isolierte Menschen, die sich nicht allein in
Deinen Bildern, sondern auch in Wirklichkeit auflösen?
Ja, aber das ist nicht der springende Punkt. Das Objekt, dieser Mann
war als Ausgangspunkt der Serie extrem wichtig, aber während
der Arbeit an dem Bild geraten das Thema und der Gegenstand immer
mehr in den Hintergrund, der Inhalt verschwindet für mich. Das
Objekt wird dann nur gebraucht, um an Farbkompositionen, Gestalten,
Perspektiven, Lichtverhältnissen und dieser Auflösungsprozedur
zu arbeiten. Die Fragen zum Inhalt tauchen dann meist erst im Endstadium
der Produktion eines Bildes wieder auf. Die Bilder sagen mir dann
manchmal, was ich geschaffen habe, was Sache ist. Bei der Interpretation
eines Bildes kann auch das Urteil eines Betrachters wertvoll sein.
Du hast auch in zwei Hardcore-Bands, Dollsteak und Can I Trash Can
gespielt. Was für einen Einfluss hat die Musik auf die Malerei?
Die Bands haben sich schon lange aufgelöst und ich war lange
nicht mehr auf der Bühne. Aber ich schreibe noch immer Songs
und will nach wie vor sowohl als Maler als auch als Musiker tätig
sein. Die Underground-Musik-Szene in Linz, KAPU und Stadtwerkstatt
haben mich sehr geprägt und heute höre ich, ganz im Gegensatz
zum Klischee des Elektro-Pop lauschenden Malers, weiterhin Heavy-Metal,
Hardcore und (Punk)rock. Die Atmosphäre auf Konzerten und in
den Klubs, diese romantische outsider-Gemeinschaft hat mich fasziniert,
weil ich mich ähnlich außerhalb der normalen Gesellschaft
stehend empfand. Was sich für mich bis heute nicht geändert
hat. Auf die Malerei hatten Underground und Musik keinen direkten
Einfluss, aber sie formten meine Persönlichkeit. Hier sind meine
Wurzeln und das bestimmt unweigerlich meine Art zu malen. Ich gehe
bis heute lieber auf ein Konzert als auf eine Vernissage.
Verklärst Du damit nicht die Underground-Szene? Zeichnen
sich nicht auch politische Subkulturen durch Gemeinschaftsidentität
und ideologische Scheuklappen aus?
Die Menschen in der Szene leben freilich auch selbst in einem Klischee.
Die romantische Gemeinschaft, das wir-halten-zusammen ist eine Illusion.
Es gibt hier genauso Leute, die sich seit 15 Jahren kennen und eigentlich
kein Wort miteinander gesprochen haben. Ich habe versucht mich von
den negativen Aspekten fernzuhalten. Ich war eher ein Beobachter,
eine Figur am Rande. Ich habe mich involviert, aber ich war kein Mitläufer
oder Aktivist. Die politischen Konzepte empfand ich bereits damals
als unkonkrete, hitzige Auflehnung ohne Ziel. Es war dennoch eine
Einstiegsdroge für ein Leben, indem man Dinge nicht einfach kommentarlos
hinnimmt, sondern hinterfragt. Ideale können auch in eine falsche
Richtung treiben, man muss sich von ihnen emanzipieren.
Wie geht es mit Sekundenschlaf weiter?
Gedanklich habe ich mit der Serie bereits abgeschlossen. Ich befinde
mich in einer Übergangsphase und versuche meinen Fundus an Ideen
und Eindrücken zu ordnen und zu reflektieren. Dabei muss ich
natürlich viel experimentieren und einfach ausprobieren. Ich
muss entscheiden, welche Idee es wert ist ausgearbeitet zu werden.
http://www.adambota.com/
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