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Art
Meets Radical Openness LiWoLi 2011
Observing, comparing, reflecting,imitating, testing, combining
Schon wieder eine Deadline und ich dachte ich darf nach vier Tagen und
16 bis 18 Stunden-Arbeitstagen endlich ins Koma fallen. Aber gut die
Eindrücke von unserer Veranstaltung in Kooperation mit der Kunstuniversität
sind noch frisch und der Rhythmus des regelmäßigen Hochschreckens
durch den Gedanken, irgend etwas auf einer Taskliste vergessen zu haben,
noch nicht vorbei. Und es ist ohnehin besser am Arbeiten zu bleiben,
um nicht in eine After-Festival-Depression zu fallen.
»Art Meets Radical Openness« (LiWoLi 2011) vom 12. - 14.
Mai hat durch einen internationalen Open Call und zahlreiche regelmäßige
Arbeitstreffen im Vorfeld begonnen, ehe über 30 Kunst- und Kulturschaffende
dafür nach Linz anreisten. Einige Gäste waren schon das
zweite Mal Teil der Veranstaltung, die sich mittlerweile zu einem
beliebten Treffpunkt in der FLOSS+ART Community entwickelt hat. Ein
besonderer Erfolg: Dass heuer, wo es wieder um die Entwicklung und
Nutzung von FLOSS (free/libre open source software) und Open Hardware
ging, 14 Frauen und 16 Männer für spannende Beiträge
sorgten! Wenn man davon ausgeht, dass bei Tech-Events rund um Open-Source-Software-Entwicklung
die Teilnahme von Frauen nur die 10% Marke trifft, ist das sehr erfreulich.
Weil wir uns von Jahr zu Jahr neuen Herausforderungen stellen, war heuer
ein besonderes Highlight, eine Ausstellung zu entwickeln, die den Anspruch
hatte, dass KünstlerInnen zusätzlich einen Workshop anbieten,
der sich mit dem ausgestellten Werk beschäftigt und TeilnehmerInnen
des Workshops aktiv in die Arbeit der KünstlerInnen einbinden sollte.
Nur KünstlerInnen, die auch den Quellen-Code, Schaltpläne,
How to's, Skizzen ihrer Werke öffentlich unter freien Lizenzen
zur Verfügung stellen, konnten Teil dieser Ausstellung sein. Radical
open eben! In die Ausstellungsumsetzung und Realisierung vor Ort wurden
erstmals StudentInnen innerhalb einer Lehrveranstalung der Kunstuniversität
in den gesamten Prozess eingebunden. Eine prinzipiell geniale Idee,
die in der Praxis nicht ganz einfach durchzuführen war. Diese neue
Erfahrung bedarf jedenfalls einer weiteren Auseinandersetzung und Reflexion.
Es kam zu sechs künstlerischen Positionen in der Ausstellung,
von denen eine besonders herausragte und tatsächlich alle Punkte
unglaublich gut erfüllen konnte. Es war das Team rund um »the
possible and impossible machine«. minipimer.tv
aus Barcelona, bestehend aus Laura Malinverni, Lucía Egaña
Rojas, Tamar Regev und Verónica Lahitte brachten wirkliches
Leben in den für sie vorgesehen Ausstellungsraum, als sie kurz
nach ihrer Ankunft mit dem Aufbau ihrer Arbeit anfingen. Es war fantastisch
zu beobachten, wie diese Gruppe mit einfachsten Mitteln den ganzen
Raum bewältigen konnte und auch inhaltlich etwas zu sagen hatte.
Die Beschreibung, die minipimer.tv für ihre Installation »the
possible and impossible machine« hat, lautet:
»Die Maschine ist ein Vorwand, eine Ausrede. Als Werkzeug dient
sie der Diskussion des Wichtigen, ist Meta-Betrachtungsapparat, (Selbst-)
Lernprozess, soziale Technologie, die wie ein Lagerhaus für Fehler
und Frustrationen funktioniert. Die Maschine ist eine Reflexion über
die Dynamik des kollektiven Schaffens, über die mögliche (und
unmögliche) Verschiebung der Vorstellung des Codes. Die Maschine
funktioniert erst, wenn 9 Personen sich gemeinsam koordinieren und zusammen
und im gleichen Moment alle 9 Sensoren gleichzeitig aktivieren
können.«
Der Workshop am folgenden Eröffnungstag, der dazu dienen sollte,
die Installation mit Hilfe der TeilnehmerInnen zu erweitern, funktioniert
nach dem Prinzip des prozesshaften Arbeitens, wo alle ihr Wissen in
die Installation einbringen und umsetzen konnten. Untereinander, erzählen
mir die KünstlerInnen, ging es noch stundenlang mit Diskussionen
auf der Eleonore im Winterhafen, wo alle untergebracht waren, weiter.
So soll es sein!
Ausstellung, Workshops, Vorträge kurzzeitig war das Foyer
der Kunstuniversität wieder mit Leben gefüllt.
Unter dem Titel 'Plutonian Striptease' kuratierte die niederländische
Software-Künstlerin und Mitautorin der Publikation FLOSS+Art Marloes
de Valk Vorträge, die hinter das Phänomen von sozialen Medien
blicken und neue Sichtweisen ermöglichen. Im Rahmen der Vorträge
bewiesen insbesondere künstlerische Projekte, wie man die Welt
des Datensammelns und den dahinterstehenden Markt begreifbar machen
kann.
Zwei sehr spannende Abende mit interessanten Gästen. Alle Beiträge
der Ausstellung sind auf der LiWoLi Webseite dokumentiert. Alle Vorträge
wurden in Kooperation mit dem lokalen Community TV DORF-TV via Stream
übertragen und auch ins DORF-eigene Fernsehen gesendet. Wer diese
Vorträge versäumt hat, kann sich die archivierten Aufzeichungen
in aller Ruhe zu Gemüte führen.
Einen willkommenen Locationwechsel brachte heuer
die LiWoLi-Nightline in der Stadtwerkstatt. Jeden Abend konnte LiWoLi
bis zu drei Acts bieten, die nicht unterschiedlicher und experimenteller
hätten sein können. Die Stimmung im Saal war immer aufmerksam
und freundlich, selbst als das extra aus den USA angereiste 13-köpfige
Linux Laptop Orchestra mit einem doch eher konservativen und ernsten
Anspruch auf die STWST-Dancehall tifft und 60 Minuten den Saal mit Klängen
füllte, die man eher im Brucknerkonservatorium vermuten würde,
wird nicht mit faulen Tomaten geschossen. Erstaunlich!
Wie gehts weiter? Gute Frage! Wo, wie, warum LiWoLi weitergehen
wird, ist für mich persönlich noch nicht ganz klar. Wie jedes
Jahr, behaupten böse Zungen. Nach vier Jahren LiWoLi@Kunstuni ist
es aber auch an der Zeit darüber nachzudenken, welche fruchtbaren
Spuren wir hier tatsächlich hinterlassen konnten? Die Zusammenarbeit
und die Unterstützung der Kunstuniversität ist prinzipiell
sehr gut. Ganz klar aber, dass es vor allem einzelne Personen sind,
die sich hier überdurchschnittlich engagieren. Nur über solche
guten Kommunikations-Schnitt-stellen zur Verwaltung ist es möglich,
diese Veranstaltung hier zu realisieren. Die Beteiligung von Lehrenden
und StudentInnen lässt für meine Idealvorstellung doch immer
noch zu wünschen übrig. Nach vier Jahren haben wir auch den
Hauptplatz 8 auf viele seiner Stärken und Schwächen getestet...
Ich freue mich jedenfalls auf eine angeregte Diskussion in unserer Nachbesprechung!
www.liwoli.at
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