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Radio FRO 105.0 MHz
»Wenn
es Spaß macht, dann muss es eigentlich nicht bezahlt werden.«
Dieser Aussage bezüglich gerechter Entlohnung für Kunst-
und Kulturarbeit kann sich Stefan Haslinger, Geschäftsführer
der Kulturplattform Oberösterreich und Obmann der IG Kultur Österreich
nicht anschließen. Simone Boria hat sich mit ihm über wenig
reflektierendes Publikum, das heurige europäische Jahr der Freiwilligenarbeit
und über die »Fair Pay«-Kampagne der IG Kultur Österreich
unterhalten.
Die Kulturplattform Oberösterreich hat auch schon einige
Kampagnen in der Richtung in Oberösterreich gestartet. Ist das
die erste Kampagne, welche die IG Kultur zu dem Thema macht?
Diese Kampagne ist nicht nur eine Kampagne der IG Kultur Österreich,
sondern eigentlich eine Kampagne der Ländervertretung der IG
Kultur. Die Ländervertretung ist der Zusammenschluss der Landesinteressenvertretungen
im Kulturinitiativen-Bereich aus ganz Österreich. Also neun Landesinteressensvertretungen
arbeiten hier gemeinsam und haben auch gemeinsam diese Kampagne konzipiert.
Es ist nicht die erste Kampagne der Ländervertretung, es hat
schon mehrere gegeben, aber konkret zum Thema Arbeits- und Lebensverhältnisse
und auch in der weiteren Folge fairer Bezahlung ist das die erste
Kampagne.
Für wen ist die Kampagne gedacht?
Zum Mitmachen eingeladen sind einerseits hauptsächlich die Kulturinitiativen,
KulturarbeiterInnen, in weiterer Folge natürlich auch KünstlerInnen.
Auf der anderen Seite sind die Verwaltungsebene im Kulturbereich genauso
wie KulturpolitikerInnen zum Mitmachen eingeladen, weil sie das Gegenüber
sind, das wir mit diesen Forderungen konfrontieren wollen. Mit ihnen
wollen wir im besten Falle auch kooperieren. Zum Mitmachen eingeladen
ist natürlich auch kunst- und kulturinteressiertes Publikum,
das auf die Notwendigkeit von fairer Bezahlung in diesem Bereich,
den sie als KonsumentInnen sehr stark wahrnehmen, aufmerksam gemacht
werden soll. Sozusagen zur Frage, unter welchen Bedingungen passiert
Kunst- und Kulturarbeit in Österreich überhaupt und wie
kann so etwas auf längere Sicht eigentlich ermöglicht werden.
Es gab schon mehrere Kampagnen dazu. Warum ist es so schwierig
zu vermitteln, wie die realen Bedingungen aussehen? Interessieren
die Leute sich einfach nicht dafür?
Die sehr sanfte Umfeldanalyse, die im Vorfeld dieser Kampagne passiert
ist, ergibt natürlich teilweise ein etwas erschreckendes Bild,
nämlich dass das Publikum oft sehr wenig reflektiert, wer hinter
diesen Veranstaltungen steht. Das heißt, die Arbeit, die eigentlich
Kulturarbeit ausmacht, im Sinne von Prozessen, die initiiert werden,
Diskussionen, die geführt werden, und natürlich auch »Knochenjobs«,
die für den Ablauf einer Veranstaltung notwendig sind, werden
meistens nicht gesehen. Das hat auch logische Gründe, weil das
Publikum eben kommt, um z.B. ein Konzert oder ein Theaterstück
zu sehen und sich eigentlich mit diesem Prozess dahinter nicht beschäftigen
will. Viel schwieriger aber auch unklarer, warum es so schwierig
ist ist eigentlich die Vermittlung auf der politischen Ebene,
dass Kulturarbeit eigentlich Rahmenbedingungen braucht, die auch bezahlt
werden müssen. Wir leben, glaube ich, nach wie vor in diesen
Überlegungen, dass Kulturarbeit grundsätzlich etwas ist,
das Spaß macht, das Freude macht, wo sehr stark Vergnügen
drinnen steckt. Mit dieser Sichtweise ist man konfrontiert. Dann kommt
es zu folgendem Umkehrschluss: Wenn es Spaß macht, dann muss
es eigentlich nicht bezahlt werden. Arbeit muss eher weh tun, damit
sie auch bezahlt werden kann, also eher mehr Schmerzensgeld als Lohn.
Und das findet man eben in der Kulturarbeit nicht. Freilich sind die
Leute, die Kunst- und Kulturarbeit machen, mit Freude dabei und es
geht auch um so etwas wie ein lustbetontes, politisches, kulturelles
Arbeiten und da kommt man dann in eine Zwickmühle. Warum sollte
für so etwas bezahlt werden und vielleicht sogar noch fair bezahlt
werden?
Da müssten ja auch andere, die gut bezahlt sind, wahrscheinlich
aufhören, ihre Bezahlung entgegenzunehmen, weil sie ja Spaß
bei der Arbeit haben. Da geht es dann auch um den Begriff der Arbeit
und darum: Was ist Arbeit?
Wir werden es nicht schaffen, innerhalb dieser Kampagne den Arbeitsbegriff
neu zu definieren, da haben sich schon größere Geister
daran gemacht und sind gescheitert. Aber es gibt schon Modelle, die
uns vorschweben. Ein Ansatz wäre zum Beispiel das Modell, das
Frigga Haug in ihrem Buch »Die Vier-in-einem-Perspektive«
konzipiert hat; ein Modell, wo es eine Aufteilung gibt zwischen Erwerbsarbeit,
Reproduktionsarbeit, Bildungsarbeit und Kulturarbeit. Das ist einer
der Arbeitsbegriffe, denen wir uns gerne annähern wollen. Die
Kupf hat ja auch 2008 die Kampagne »Kulturarbeit ist Arbeit«
konzipiert und durchgeführt, wo es auch genau darum gegangen
ist. Auch wenn das Spaß macht, auch wenn das ehrenamtlich passiert,
auch wenn es im Kontext von Freiwilligenarbeit passiert, selbst dann
ist es Arbeit. Was dahintersteckt: diesem Aushöhlen vom Arbeitsbegriff
entgegenzuwirken.
2011 ist das EU-Jahr der Freiwilligenarbeit. Dazu habt ihr auch
eine Veranstaltung gemacht. Bei der habt ihr gezeigt, dass Freiwilligen-arbeit,
zu der auch Kulturarbeit zählt, nicht mehr leistbar wäre,
wenn man sie bezahlen müsste. Das heißt aber nicht, sie
sollte nicht bezahlt sein, sondern im Gegenteil: Dass der Wert dieser
Produktionsarbeit gesteigert werden muss.
Das ist genau der zentrale Ansatz in dieser Diskussion zum Thema Freiwilligenarbeit.
Niemand würde sich hinstellen und sagen: Freiwilligenarbeit ist
nicht notwendig. Auch im Kontext unserer Kampagne ist relativ klar,
dass alles, was für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erarbeitet
wird, natürlich auch freiwillig passieren kann. Was nicht sein
darf: dass es freiwillig passieren muss. Dieser ein bisschen implizite
Zwang zur Freiwilligentätigkeit, der immer mitschwingt, auch
der Druck, der ausgeübt wird in diesen ganzen Lobesreden für
Freiwilligentätigkeit, dem gilt es entgegenzuwirken. Es gibt
auch das Problem, dass eine weitestgehende Auslagerung von genuin
sozialstaatlichen Aufgaben an das Feld der Freiwilligentätigkeit
passiert. Sehr schleichend noch, nach wie vor, aber grundsätzlich
sind das staatlich-politische Aufgaben, die da erfüllt werden
müssen. Wenn da Teilbereiche freiwillig passieren, ist das schön
und gut, aber Verantwortung abzugeben an ein riesengroßes Feld
von Freiwilligen ist in keinster Weise und in keinem Bereich denkbar.
Meistens geht es um den Sozialbereich, aber auch um den Kulturbereich.
Es muss möglich sein, dass Menschen dort ein Einkommen finden,
von dem sie auch leben können. Das ist der Rückschluss auf
die »Fair Pay«-Kampagne, im Sinne von gerechter Entlohnung.
Ist dieses Jahr der Freiwilligenarbeit ein gutes Fenster, um da
mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen?
Wenn man das von der europäischen Ebene herunterdenkt, ist es
wahrscheinlich das denkbar schlechteste Fenster, um über Entlohnung
zu sprechen, weil eben die freiwillige, unentgeltliche Arbeit da jetzt
vor den Vorhang geholt wird, wie es alle PolitikerInnen jetzt gerade
von sich geben. Auf der anderen Seite ist es vielleicht insofern ein
gutes Fenster, um genau da diese Diskrepanz aufzuzeigen. Und im Kulturbereich
ist klar, dass es Arbeiten gibt, wo man vielleicht sagen kann, die
müssen nicht unbedingt entlohnt werden. Bei Jobs wie Flyerverteilen
und Kassadienst bei Veranstaltungen kann man schon sagen, das muss
nicht bezahlt werden. Aber das grundsätzlich vorauszusetzen und
zu sagen, das darf nicht bezahlt werden, das ist der falsche Weg.
Darum ist auch ein Ansatz in der Kampagne, der entwickelt wird, der
Entwurf von einem Gehaltsmodell oder von einem Bezahlungsmodell, das
bei diesen »niedersten Tätigkeiten« bis hin zu Leitungstätigkeiten
im Kunst- und Kulturbereich ansetzt.
Was sind die weiteren Ziele der »Fair Pay«-Kampagne?
Wir haben drei große Ziele definiert, drei Meta-Ziele, wenn
man so will. Das große Ziel: Kulturarbeit ist Zukunftssache.
Und das auf einer breiten Ebene zu verankern. Gemeint ist damit nichts
anderes, als dass gerade im Kunst- und Kulturbereich und vor
allem im freien, zeitgenössischen Kunst- und Kulturbereich
ein Großteil der Innovationen und Entwicklungen passieren, also
eigentlich so etwas wie Pionierarbeit. Die wird dann sehr gerne von
größeren Häusern, Institutionen, Organisationen übernommen,
weiterentwickelt und das dann meistens mit ungleich höheren finanziellen
Mitteln. Das will ich auch gar nicht schlechtreden, aber dieser Sager,
dass Kulturarbeit Zukunftsarbeit ist, der soll mehr verankert werden,
auch um die breitere gesellschaftliche Notwendigkeit von Kunst- und
Kulturarbeit in den Vordergrund zu rücken. Das zweite Ziel ist
ein relativ banales und heißt »mehr Kohle«, weil
es auf der Förderebene logisch ist, dass so ein Gehaltsmodell,
wie wir uns das vorstellen, nur dann möglich ist, wenn auch Kulturbudgets
substantiell erhöht werden, was natürlich stark auf der
Länderebene verhandelt wird. Das dritte Ziel ist eines, das wir
nicht erreichen werden, aber das wir zur Diskussion stellen wollen.
Es ist das Thema »FAIRsicherung«, »FAIRsteuerung«,
wo es darum geht, wieder mehr die Diskussion zu suchen, um dieses
sehr durchwachsene, sehr intransparente und hochgradig komplizierte
Steuer- und Versicherungssystem in Österreich zur Diskussion
zu stellen und zu schauen, ob es nicht Möglichkeiten gäbe,
da Vereinfachungen herzustellen.
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Das Gespräch führte Simone Boria im Rahmen
einer FROzine-Sendung am 4. Mai. In voller Länge nachhörbar
ist es unter www.fro.at/frozine. Das Transkript stammt von Michael
Gams. Er ist Redaktionsleiter von FROzine, dem akustischen Infomagazin
von Radio FRO.
Wirtschaft
muss wieder eine gesellschaftliche Angelegenheit werden!
Das Institut
für die Gesamtanalyse der Wirtschaft führt im Juni ihre
zweite Sommerakademie in der BauAkademie Lachstatt in Steyregg durch.
Die diesjährige Veranstaltung thematisiert verborgenes Geld,
verheimlichte Macht und verachtete Arbeit. Radio FRO, das derzeit
am Aufbau einer Wirtschaftsredaktion arbeitet, ist mit von der Partie.
Das »Institut zur Gesamtanalyse der Wirtschaft« an der
Linzer Kepler-Uni wurde 2009 als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise
2008 gegründet.
Am Beginn stand der Wunsch, die Ursachen der Rezession zu begreifen.
Es wurde aber schnell klar, dass diese Krise der Finanzmärkte
auch eine Krise der Wirtschaftswissenschaften war und ist. Der heutigen
Wirtschaftswissenschaft fehlt es an grundlegenden Instrumenten, die
Phänomene einer globalisierten Weltwirtschaft zu beschreiben.
Zu dominant war in den letzten drei Jahrzehnten der Einfluss neoliberaler
Theorien, zu radikal der Kahlschlag unter alternativen Denkansätzen.
Das Institut wendet sich grundsätzlich gegen die dogmatische
Vorstellung, dass Märkte per se effizient und Finanzmärkte
a priori rational seien. Vielmehr wird durch die Zusammenarbeit mehrerer
Wissenschaftsdisziplinen versucht, Wirtschaft wieder als Teil der
Gesellschaft und in Wechselwirkung mit anderen gesellschaftlichen
Bereichen zu begreifen.
Eine weitere selbst gestellte Aufgabe des Institutes ist es, wirtschaftliche
Abläufe auch für interessierte Laien wieder verstehbar und
damit auch wieder in demokratischen Prozessen diskutierbar zu machen.
Für genau diese Zielgruppe wird daher die Sommerakademie durchgeführt.
Das diesjährige Thema »Verborgenes Geld. Verheimlichte
Macht. Verachtete Arbeit. Offene Geheimnisse des Kapitalismus«
nimmt sich dreier Fragestellungen an, die sich angesichts der heutigen
Situation aufdrängen:
Wo steckt das ganze Geld, wie laufen die Finanzflüsse
rund um den Globus, und warum gelingt es gerade jenen mit dem meisten
Geld, die wenigsten Steuern zu zahlen?
Wer trifft eigentlich die Entscheidungen auf dem Feld der Weltwirtschaft,
wer steckt hinter den oft zitierten Rating-Agenturen, und wie entstehen
die »Sachzwänge«, auf die sich die Politik immer
beruft, um milliardenschwere Bankenrettungspakete zu Lasten von Sozialleistungen
zu beschließen?
Warum klaffen die Einkommen aus Arbeit und aus Besitz immer
weiter auseinander, weshalb müssen immer mehr Menschen unter
immer prekäreren Bedingungen arbeiten und wieso sind immer mehr
Menschen trotz aufrechter Arbeitsverhältnisse von
Armut bedroht?
Sommerakademie 2011: 23. - 25. Juni, Bauakademie Lachstatt in Steyregg,
genauere Informationen und Anmeldung unter www.icae.at
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Autor: Andreas Wahl. Er ist Geschäftsführer
von Radio FRO.
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