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Qualität als Überlebensstrategie
In Linz
fand Mitte Mai die Konferenz von Eurozine statt, dem Netzwerk der
»führenden Kulturmagazine Europas«. Tanja Brandmayr
hat »Changing Media Media in Change« besucht.
Eurozine versteht sich als Netzwerk der führenden europäischen
Kulturmagazine, es verbindet 80 Partnermagazine aus 34 Ländern
und hält darüber hinaus Verbindungen zu anderen Initiativen
und Institutio-nen. Eurozine verpflichtet sich der kulturellen Vielfalt
und möchte eine seriöse Debatte über die Medienlandschaft
Europas führen. Diese transnationale »Übersetzungsarbeit«
gilt einerseits der Feststellung von unterschiedlichen politischen,
kulturellen, ästhetischen Kontexten der Medien, andererseits
einer Entwicklung von europäischen Perspektiven in einem
zweifelsohne sich zunehmend problematisch (um)gestaltenden Feld. Eurozine
ist selbst aber auch Netzmagazin, das seine Inhalte von seinen Partnerjournalen
bezieht, zumindest teilweise aus deren Printausgaben. Es sieht sich
selbst deshalb bestens in einer intellektuellen europäischen
Tradition des Zeitungsmachens verortet, sowie es sich auch als Musterbeispiel
für eine Allianz von alten und neuen Medien versteht. Im Zuge
dieser weitreichenden Vernetzungsarbeit dürfen natürlich
europäische Treffen nicht fehlen zumal jährliche
Treffen auch am Beginn der Initiative standen: Bereits seit 1983 bestand
ein informelles Netzwerk von ZeitschriftenredakteurInnen. Eurozine
ist eine unabhängige Organisation, hat mit der EU außer
einem Eurobetrag Betriebskostenzuschuss nichts zu tun. Unter dem Motto
»Changing Media Media in Change« fand nun das diesjährige
Treffen im Lentos Museum statt. Das Thema des »Medienwandels
im Zuge der digitalen Revolution«, so Geschäftsführerin
Veronika Leiner, »biete immer noch genug Herausforderung«,
um etwa die Aspekte journalistische Arbeit, Urheberrecht und Pressefreiheit
zu diskutieren: Diese bildeten neben praxisbezogenen Workshops und
der öffentlichen Veranstaltung zur »Medienlandschaft in
Österreich« die Kernthemen
der Konferenz.
Eröffnung. Die Eröffnungsrede des Treffens kam von
Khaled Hroub, Direktor des Cambridge Arab Media Programm. Er stellte
als eines der Main Topics diesen Jahres die Umwälzungen des Nahen
Ostens in den Mittelpunkt, weigerte sich jedoch, diese als durch Neue
Medien und social community tools gemacht anzuerkennen dies
spreche vielmehr für eine Arroganz des Westens, durch seine Technologien
Demokratisier-ung zu bringen. Hroub führte dagegen die jahrzehntelangen
politischen Versäumnisse der Regierungen an und auf dem Mediensektor
ein Phänomen, mit dem zum Beispiel auch Al Jazeera jahrelang
konfrontiert war: Die relative Freiheit, Themen medial aufzubereiten,
führte kaum zu politischer Einflussnahme in den undemokratischen
und korrupten Machtsphären. Eine kontrollierende vierte Instanz
(in deren Funktion sich Medien in einer Gesellschaft traditionell
definieren), geschweige denn eine politisch rückbindend-gestaltende
Kraft, konnte daher nur bedingt installiert werden.
Medien im Umbruch. Neue Technologien und deren Kommunikations-formen
werden generell und selbstverständlich nicht ohne Grund als neue,
relevante fünfte Instanz gehandelt, weil sie das traditionelle
Machtmonopol und nicht zuletzt das Medienmonopol völlig aufgebrochen
haben dabei generiert das Netz seine eigenen Phänomene
und erzählt seine eigenen Erfolgsstories. Social communities,
Blogs, Open Data-Bewegung, Datenjournalismus, WikiLeaks das
bedeutet aber noch nicht automatisch Journalismus, sondern beschreibt
vielmehr die neuen Möglichkeiten des Datentransfers, der zweifelsohne
enorme mediale Sprengkraft entwickelt, sofern er journalistische Anbindung
im Sinne einer redaktionellen Recherche und Bearbeitung erfährt;
und eine in mehrfacher Hinsicht kritische Masse erreicht. Nicht zuletzt
konnte das im Falle von WikiLeaks durch Anbindung an traditionelle
Medien geschehen. Einig ist man sich bei der Konferenz darüber,
dass es keine wertende Grenzziehung zwischen altem und neuem Journalismus
geben darf. Insgesamt gilt: »das Beste aus beiden Welten verbinden«.
Die Grenzziehung fällt dabei aber konkret unterschiedlich aus,
und zwischen Altem und Neuem tun sich im Detail nicht automatisch
erfreuliche Perspektiven für die Zukunft auf. Kritische Problemfelder,
die sich im Zusammenhang mit neuen, journalistischen Formen ergeben,
betreffen zum Beispiel den inhaltlichen Qualitätsverlust der
Printmedien, die, ohnehin bereits zunehmend kommerzialisiert und trivialisiert,
auf Grund des allgemeinen Einsparungsgebots gerne auf die vorhandenen
Inhalte im Netz zurückgreifen oder ihre journalistische Arbeit
überhaupt an Amateure auslagern. Die Inhalte der Onlineplattformen
selbst hingegen speisen sich aus mindestens 90 % der Mainstream-Inhalte
der Printmedien, ein Effekt, der unter anderem aus einer Praxis des
(gegenseitigen) Monitorings der AkteurInnen entsteht. Im Gegensatz
zu dieser negativen Rückkopplung von Trivialisierung ist jedoch
an dem einen oder anderen Ort in Europa geradezu auch ein neues Interesse
an vertieften und recherchierten Inhalten entstanden ein Interesse,
das sich derzeit vor allem in Nordeuropa auch in LeserInnenbindung
und kommerziellen Einnahmequellen niederschlägt. Eine wunderbare
Entwicklung am Zeitungsmarkt, wenn auch in einem völlig anderen
Kontext, findet seit den letzten 10 Jahre auch in Indien und Brasilien
statt: Dort schafft eine urbane Mittelklasse mit zunehmender Bildung
einen neuen Markt. Ganz allgemein befindet sich das Zeitungsverlags-wesen
aber in einem sehr weitreichenden ökonomischen Umbau, um nicht
zu sagen Niedergang, vor allem in den USA und Europa.
»
in einem Land wo die Sonne nie aufgeht.«
Die öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema österreichische
Medienlandschaft war sozusagen der Patronanz von Karl Kraus und seiner
»Fackel« unterstellt und begann mit dem auch nicht
schlechten Satz von Stefan Gmünder, dass »Österreich
das einzige Land ist, wo der Slogan Die Zeitung für Leser
keine Tautologie ist«. Am Podium saßen außerdem
Armin Thurnher und Barbara Coudenhove-Kalergi sowie der schwedische
Autor und Journalist Arne Ruth. Einig ist man sich, dass es in Österreich
kaum Qualitätszeitungen von internationaler Bedeutung gibt, wobei
die fehlenden Qualitätsmerkmale wie folgt festgemacht werden:
ein offenes »Weltbild«, das dem permanent drohenden Provinzialismus
entgegensteht (mit dem Signifikator Auslandsberichterstattung), kein
nennenswertes Feuilleton (höchstens Bereichsberichterstattung),
Recherche, Zeit, Platz, der Umgang mit Sprache und, wie Thurnher meint:
»die Redaktion selbst, wie die Leute zusammengesetzt sind und
wie sie Ideen produzieren«. Demnach kann eine Redaktion als
Organismus gesehen werden, der Ideen produziert, weil er etwas will
ein gesellschaftliches Wollen, das Arne Ruth an anderer Stelle
als primär wichtig für ein erfolgreiches Medium sieht, das
Barbara Coudenhove-Kalergie als guten Journalismus bei Ö1 und
Falter anerkennt. Wobei sie der Krone insofern zugesteht, eine gute
Zeitung zu sein, eben »weil sie etwas will, auch wenn man mit
dem, was die Krone inhaltlich will, natürlich nicht einverstanden
sein kann«. Im Sinne der Weltoffenheit wäre zumindest ein
Boulevard wünschenswert, der nicht automatisch dumm ist und Ressentiments
schürt. Diesbezüglich ist bei Österreichs Boulevardmedien
eine Verflechtung von Kommerz und Parteipolitik festzustellen, wo,
O-Ton Thurnher, »nichts drinnen steht außer pure Korruption,
jede Geschichte bietet einen Anknüpfungspunkt an ein Anzeigengeschäft
oder politische Einflussnahme«. Begründet wird diese spezielle
österreichische Boulevardisierung und Medienkonzentration mit
historischen Ursachen, der Vertreibung und Vernichtung der Juden und
der weitgehend historischen Absenz eines Bürgertums; weiters
mit institutionellen Gründen, die eine schwache Öffentlichkeit
produzierten (wonach nach dem 2. Weltkrieg demokratische Institutionen
ohne nennenswerte Öffentlichkeit installiert wurden); sowie mit
individuellen Gründen, die nochmalig die schwache Verfasstheit
des österreichischen Bürgertums untermauerte ein
starkes Bürgertum hatte in anderen europäischen Ländern
ein Interesse, Öffentlichkeit mitzugestalten. Der klassische
österreichische Großbürger investierte jedoch sein
Geld lieber an der Börse als im Medienmarkt. Während Herausgeber
heute nur zu gerne an allem sparen, nur nicht an einer Unterschreitung
von journalistischen Standards. »Nur mit Reduzierung kann man
heutzutage den Markt nicht mehr gewinnen«, meint Arne Ruth,
»wir hatten ein Monopol am Anzeigenmarkt, das vorbei ist. Die
gute Sache ist, dass eine andere Art des Journalismus entstehen kann,
ein Qualitätsjournalismus der besonderen Art«. Die allgemeine
Presse betreibe demnach »Instant Gratifi-cation«, also
etwa eine »sofortige Befriedigung«, wobei die neue Chance
in einer »Delayed Gratification« liege auch marktwirtschaftlich
gesehen. Sonst gäbe es keine Chance im Vergleich zum Internet,
zu dessen Schnelligkeit und Aktualität. Qualität als Überlebensstrategie
wenn das die Message des Mediums sein soll, dann wäre
ja eigentlich alles gut.
Das Programm samt Reader und Diskussionsbeiträgen ist online
nachzulesen, empfehlenswert sind u.a. der Beitrag von Iryna Vidanava,
deren »34 Multimedia Magazine« in Weißrussland seit
Jahren gegen Diktatur und Zensur ankämpft. Sowie die Artikel
von Geert Lovink zum »nihilistischen Impuls« der Blogs
oder zu WikiLeaks. Außerdem kann die Diskussion zur Medienlandschaft
Österreichs ebenfalls auf der Homepage nachgehört werden:
www.eurozine.com.
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Tanja Brandmayr ist freie Kunst- und Kulturschaffende
und war Herausgeberin von spotsZ.
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