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Das Leben nicht banaler beschreiben als es ist
Diesen
Winter hat der in Linz gebürtige Autor Philip Hautmann im Wiener
Trauma Verlag seinen ersten Roman herausgebracht. »Yorick
ein Mensch in Schwierigkeiten« handelt auf den ersten Blick
von einem von sich selbst überzeugten eigenbrötlerischen
Protagonisten und seinen wunderlichen Abenteuern mit künstlerischen
Phantasten, einem Philosophenzirkel und einem geheimnisvollen Milliardär.
Möglicherweise spielt sich aber auch alles nur im Kopf einer
Psychologin ab. Nach Studien in Linz und Basel lebt Philip Hautmann
in Wien. Anna Masoner traf ihn dort zum Gespräch.
Du hast in Linz und Basel Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissen-schaften
studiert und dich unter anderem in deiner Dissertation mit Politischer
Ökonomie beschäftigt. 2010 hast du deinen ersten Roman »Yorick
ein Mensch in Schwierigkeiten herausgebracht«. Definierst
du dich als Wissenschaftler, als freier Autor oder ist es schwierig
sich zu definieren?
An und für sich bin ich Wissenschaftler von der Ausbildung her.
Ich hab Sozialwirtschaft studiert, was mir auf dem Arbeitsmarkt aber
nicht so wirklich weitergeholfen hat. Da habe ich mich in Arbeitsverhältnissen
wiedergefunden, für die man nicht mal Matura braucht, und an
einem bestimmten Punkt habe ich beschlossen, schreibe ich halt eben
einen Roman.
Man könnte zum einen sagen, dass das nichts als die nächste
Schnapsidee auf dem Weg zu einer gesicherten Existenz sein kann, zum
anderen muss man ja irgend etwas machen um nicht geistig zu versauern,
also hab ich das probiert.
Wie ist es denn so, das Leben als Autor? Gezeichnet von Schwierigkeiten?
Wenn man keinen Namen hat und einen Verlag sucht oder im Literaturbetrieb
unterkommen will, ist es natürlich gezeichnet von Schwierigkeiten.
Wenn man weiters an etwas arbeitet, das noch nicht in seinem Wert
festgestellt ist und letztendlich wird dieser Wert ja durch
das Qualitätsurteil der Außenwelt definiert ebenfalls.
Da pendelt man in seinem Schaffensprozess und seiner Selbstbeurteilung
ständig zwischen Manie und Depression. Natürlich ist es
allgemein so, dass, wenn man Kunst macht, man sich quasi in seiner
gesamten Persönlichkeit als auf dem Prüfstand erlebt, und
in der Regel bringt es wenig Geld. Das heißt, Künstler
sein hat ein gewisses dramatisches Potenzial.
Wie kam es eigentlich zur Veröffentlichung? Schickt man das Manuskript
an zig Verlage?
Ja schon, außer man kennt jemanden. Oft passiert es ja über
Kontakte. Wenn man jetzt kein B-Prominenter ist, der über sein
Sexualleben schreibt, ist es schwierig, bei einem Verlag ganz einfach
so unterzukommen. Als belletristischer Autor hat man es nicht so leicht,
weil sich Belletristik nicht so leicht verkauft. Da ist ja der Markt
überschwemmt und es schwer vorherzusehen, wie eine Veröffentlichung
beim Publikum ankommt. Bei Sachbüchern ist das anders. Da kann
man sagen: Das interessiert so und so viele Leute. Aber eine belletristische
Veröffentlichung ist für einen Verlag immer ein Risiko.
Wie hast du eigentlich zum Schreiben gefunden?
Beckett hat mal gesagt, er habe zum Schreiben begonnen, weil alles
andere fehlgeschlagen sei. Das kann bei mir nicht eben anders gewesen
sein. Ich hab halt keinen anständigen Job bekommen. Meine Idee
war ursprünglich, ein Kinderbuch zu schreiben, um meiner Intellektualität
eins auszuwischen. Als ich mit dem Roman begonnen habe, war ich ziemlich
stark unter dem Einfluss von Alice im Wunderland von Lewis Caroll.
Was hat dich an dem Buch fasziniert?
Es ist ja eines der größten Werke der Weltliteratur. Immerhin
wird beschrieben wie ein Kind denkt. Und man kann das Wunderland,
in dem sich Alice bewegt, als Satire auf die Erwachsenenwelt ansehen:
Die Leute mit ihren komischen Marotten. Oder die Umkehrung der Logik,
das Irrationale, das doch in eine zeremonielle, konventionelle Form
gebracht und ritualisiert bzw. routinisiert wird.
Wieso hast du aber schlussendlich kein Kinderbuch geschrieben?
Da hat mir die kindliche Kreativität dann doch gefehlt. Auf den
Yorick bin ich gekommen, weil ich zu der Zeit Georg Christoph Lichtenbergs
Sudelbücher gelesen habe. In denen hat er auch über den
Roman Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman und
dessen Autor Laurence Sterne geschrieben. Sterne hat sich nämlich
Yorick genannt, das war sein literarisches Alter Ego. Den Namen Yorick
hatte Sterne wiederum von Shakespeare, der den Hofnarren in Hamlet
so genannt hat. Dieses Hofnarrenartige hat Sterne interessiert. Die
Figur des Hofnarren ist ja kein Trottel, sondern eigentlich ein Weiser.
Er hat eine gewisse Distanz, er beherrscht im menschlichen Chaos und
in der Irrationalität den Überblick, deswegen steht er oft
auf verlorenen Posten. Was er dem König an Wahrheit erzählt,
kommt oft nicht an. Der Yorick ist eine Nebenfigur im Tristram
Shandy. Aber ich dachte mir, er wäre ein gutes Sujet für
einen eigenen Roman. Eine Figur, die sehr von sich eingenommen ist
und in ihrer Überzeugtheit, in ihrer Besonderheit lebt und glaubt,
sie ist überall willkommen. Mit diesem Anspruch bewegt sich das
Individuum in der Gesellschaft und bemerkt niemals, dass es nicht
so ist. Das ist ein großartiges Thema. Es hat etwas Don Quichotteartiges,
dass der Mensch in der Täuschung und der Illusion aufgeht...
Yorick, so schreibst du selbst, ist ein witziger Kerl. »Er
kommt uneingeladen zum Frühstück und wenn man ausgeht, um
ihn los zu werden, so geht er mit aus, in eine andere Gesellschaft,
da er glaubt, nirgends unangenehm sein zu können!«
Nervt es dich wenn ich dich frage, wie viel von dir selbst steckt
denn eigentlich in deinem unangepassten Protagonisten?
Naja, wenn man ein Buch schreibt, damit an die Öffentlichkeit
geht und Interviews gibt, ist es eh klar, dass solche Fragen kommen,
insofern hat man nicht genervt zu sein. Der zitierte Satz stammt eigentlich
von Lichtenberg, der behauptet, dass entgegen möglicher Erwartungen,
die man an seinen edlen Charakter haben könnte, Laurence Sterne
selbst so war. Ein eher unausstehlicher Typ, eine Klette und Schmarotzer.
Ein Typ der sich überall reingedrängt hat.
Wenngleich mit autobiographischen Elementen versehen, geht es beim
Yorick aber um die Beschreibung einer derart veranlagten Kunstfigur.
Ein Mensch, der sich für überall willkommen hält, ohne
es zu sein, und ohne das jemals zu bemerken. Ein Mensch, der auf der
anderen Seite auch seine Qualitäten hat, die von der Gesellschaft
missverstanden werden, da sie ja aus Individuen besteht, die letztendlich
genauso in ihren Ich-Pathologien gefangen sind.
Das Thema des Buches ist ja, dass der Mensch als Existenz permanent
um sich selber kreist. Dass er unachtsam ist. Wenn man bei diesen
Lebensratgebern oder Esoterikbüchern, bei den klügeren,
nachschaut, kommt das Thema »Achtsamkeit« immer wieder
vor. Der Mensch soll gegenüber den Mitmenschen, seiner Umwelt
und sich selbst achtsam sein. Das Ganze kommt aus dem Buddhismus,
dem ich selber auch positiv gegenüberstehe. Der Yorick ist, wenn
man so will, das Buch von der Unachtsamkeit des Menschen.
Neben Yorick bevölkert ein ganzes Kabinett an sonderbaren und
schrägen Figuren den Roman. Wie entwirft man denn so ein Personal?
Geht man von Bekanntschaften aus, vom eigenen Freundeskreis oder eben
gerade nicht?
Natürlich haben Yorick und auch die anderen Figuren etwas mit
meinem persönlichen Erleben zu tun, aber vieles ist erfunden.
Zum Beispiel kenne ich keinen Milliardär.
Ein paar Bekannte, teilweise sehr entfernte Bekannte, mussten schon
als Modelle herhalten, aber im Grunde gehts darum, bestimmte
Charaktertypen darzustellen. In der Regel sind mehrere reale Personen
zusammengeschmiedet in die Figuren, die auftreten. Es müssen
auch nicht immer Personen sein, es können auch einfach nur Wortmeldungen
sein, die ich irgendwo mal von wem aufgeschnappt habe.
Das Buch steckt zwar voller Aktualitätsbezüge, trotzdem
hat man beim Lesen das Gefühl, dass die Handlung ebensogut im
19. Jahrhundert stattfinden könnte...
Eigentlich ist es egal wann es spielt. Daher gibt es auch keine konkreten
Orts- und Zeitangaben. Und auch keine übertrieben detaillierten
Beschreibungen der Figuren. Im ersten Teil könnte man die Personen
ja genauso gut für Kinder halten. Und vielleicht sind sie es
ja auch. Das hat wahrscheinlich auch etwas mit dem Stil vor allem
im ersten Teil zu tun, der teilweise etwas barock ist. Und auch ein
wenig kindlich. Es ist ein absichtlicher Verfremdungseffekt. Dass
etwas Märchenhaftes dargestellt wird. Dass erkennbar ist, dass
da Literatur gemacht wird, aber eben nicht in einer heute üblichen
literarischen Sprache. Außerdem hat man im 19. Jahrhundert
besser geschrieben als heute.
Findest du? Wieso?
Man hat eine schönere Sprache gehabt. Und schönere Ziele
und Ideale, denn diese sind ja auch Teil unserer Existenz, auch wenn
sie immer wieder an der Realität scheitern. Das fehlt halt irgendwie
in der heutigen Literatur, finde ich. Da beschreiben Autoren oft ihr
vegetatives, jämmerliches Leben ganz so wie es ist, bzw. ins
Negative verfremdet und freuen sich auch noch drüber. Natürlich
geht es in der Kunst darum, dass man das Leben beschreibt, aber die
allgemeine menschliche Situation. Ich halte es da eher mit Goethe:
Kunst dient der Veredelung des Menschen. Wenn man ein Buch aufschlägt
und auf den ersten Seiten schon diverse Kraftausdrücke vorkommen,
habe ich das Gefühl, dass heutzutage so ein gewisser Manierismus
herrscht, dass man das Leben banaler beschreibt als es eigentlich
ist.
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Philip Hautmann: »Yorick Ein Mensch in Schwierigkeiten«,
Verlag Trauma Wien, 2010, Traumawien.at
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Anna Masoner hat in Wien, Linz, Paris und Melbourne
Geschichte und Medientheorie studiert. Von 2007 bis 2009 war sie im
Team der Stadtwerkstatt. Derzeit ist sie freie Mitarbeiterin bei Radio
Österreich 1.
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