MAX IST... |
Werner Katzmaier am Telefon mi.
9.9.98 Max war charmant und intelligent. Es hat ihn eigentlich jeder mögen, und das sicherlich nicht durch Taten, die er gesetzt hat, sondern er hat einfach die Aufmerksamkeit durch sein Sein auf sich gezogen. Er war ein lebendiger Bestandteil der Stwst. Die Stwst war etwas Wienerliedartiges, was ja auch Alturfahr schon von der Lokalität her war. Für mich ist dieser Stadtteil das Undefinierte, die moosigen feuchten ziegelartigen Gemäuer der Urfahraner Hinterhöfe. Mit Max verbinde ich die Zeit der Nachkriegsgeneration. Das ist die Gossenromantik im Hinterhof, und die geht wirklich auf Alturfahr zurück und das, was Urfahr gebildet hat. Ein Urfahr mit seinen zugewanderten oder entwurzelten Existenzen. Deren Bühnenraum war der Hinterhof, unverändert und notdürftig ausgebessert. Die Punk-Ära war ja dann ein unzeitgemäßes Aufflackern dieses Nachkriegsszenarios. Mit der Sanierung des Viertels und dem Umbau der Stwst Ende der 80er Jahre ist eine Linzer Sozial- und Kulturgeschichte verloren gegangen. Eines Linz etwa in der Art, wie es teilweise in Wienerliedern thematisiert wird. Es ist irgendwie so, wie wenn der letzte Wiener über den Hinsenkampplatz gegangen wäre. Jetzt hat Hightech im Viertel Einzug gehalten. Damit ist es mit Gemütlichkeit und einer spielerischen Art, wie sie in der Stwst aufgeflammt ist, und ja bereits einen irrealen Touch gehabt hatte, endgültig vorbei. Die Materialien, die Abfälle, das Vorgefundene hatten eine merkwürdige Korrespondenz zur Überständigkeit. Die Gemäuer der alten Bauten hatten eine eigene Ausstrahlungskraft, im Gegensatz dazu verlieren die neuen Plastikfassaden über weite Strecken die Erinnerung an die Stadt von einst und zur Zeit des Wiederaufbaus. In den unrenovierten Gemäuern waren Spuren vorhanden, da waren Bilder vorhanden, und da war die Matrix vorhanden. Und Max war einer, der nur Flugsamen war, eine vegetative Existenz. Er war ein Repräsentant eines Stillstehens, eines organischen Prozesses, wie sie auch für eine Stadt notwendig sind. Es ist das Gegenbild zu einer auf dem Reißbrett skizzierten und dynamisch durchgeführten Lebenskonstruktion, die an Kapital und Fortschrittsgedanken gebunden ist. Mit dem Verschwinden der organisch gewachsenen Struktur ist überhaupt die Durchlässigkeit dem Geviert abhanden gekommen. Man nimmt überhaupt nichts mehr wahr. Dem Altersheim, eingepfercht hinter dem Riegel von Verbauung, die sich an der Hauptstraße entlang zur Brücke zieht, ist der Blick völlig verstellt. Diese Art der Verbauung und Verdichtung von städtischem Raum, die ja aus Gründen der Verwertung von Kubatur entstanden ist, läßt überhaupt keine sinnliche Wahrnehmung mehr zu. Es ist ein Abgesang. Die rein baulichen Relikte und Gemäuer sind jetzt weg. Max war sicherlich einer, dem es aus dem oder diesem Grund, zu leerstehenden Häusern hinzog. Die Sanierungsstrategien drücken jene an die Wand, die obdachlos sind. Die höhlenartigen, in einer Weise steinzeitartigen Existenzen streben gar nicht zivilisatorische Lebensformen an, und ein Rückzugsgebiet nach dem anderen wird wegsaniert. Man läßt ihnen keinen Platz zu leben, und sie werden auch nicht wirklich sozialisiert. "He Alter, geh was hackl'n!" lautet die Devise. Zur eigenen Lebensgestaltung wird ihnen der Raum entzogen. Es ist ja nur eine bürgerliche Rechtfertigungsform, zu sagen sie sollen ihre Lebensweise aufgeben, und in die Form des Bürgers schlüpfen. Eine seiner Touren war der Mostbauer, der Kreuzbauer hinterm Petrinum beim Asköplatz. Da ist ein Marterl und vis-á-via hat er lange Zeit sein Holzlager gehabt. Im Sommer ist er da rumgehangen und hat Most mit seinen Spezln getrunken. Ein markanter Punkt in seiner Alkoholkarriere war sicherlich die Firma Stock, wo er in den 80ern einige Zeit beschäftigt war und Schnaps in Fässer abfüllen mußte. Wann und wie Max in die Stadtwerkstatt gekommen ist, läßt sich nicht mehr genau eruieren. Das ist ja auch nicht erheblich, er war auf einmal da. Es gibt zwei Phasen im Hause der Stadtwerkstatt. Die eine war die Integration mit Sozialprojekt und der Idee "leben, wohnen, arbeiten", die andere, nach dem Umbau und Umzug in das neue Haus, war der Drang, den Betrieb stärker zu professionalisieren und Leute als reine Arbeitskräfte in punkto Effizienz zu sehen. Wobei ein ideologisch aufgefetteter Irrtum die Stwst veranlaßte, Kunst im sozialen Kontext, die Teil des Programms war, aufzugeben. Damit ist eine lebenswerte Komponente und Aura verflogen. Da hat Stwst eine ideologische Position abgetreten, das Schiff hat da eindeutig einen anderen Kurs genommen und ist mehr in eine technologische Seite geschlagen, vielleicht weil alles momentan so kommt. Max war in dem Ganzen eine Persönlichkeit. Er hatte auch ein gewisses Bewußtsein, aber er hat immer wieder Fett von allen Seiten abgekriegt, auch von den Künstlern. Georgs Unzufriedenheit war sicher ein Motor dieser Säuberung. Da gab's den Spruch: Sein Instrument ist Schaufel und Besen. Er war Repräsentant einer bestimmten sozialen Atmosphäre, mit seinem eigenständigen Bewußtsein. Über weite Strecken war Max integriert und Teil dieser Stammeskultur. Es gibt Bilder, wo er im Büro oder auf Wärmedämmplatten geschlafen hat. Oder die Schlafgeschichte, die Gotthard erlebte, als er nach sechs Monaten Kanarische Inseln zurückkam, und einzig alleine Max im Haus antraf. Und ihn in gleicher Position wie vor seiner Abreise vorfand: schlafend am Tisch sitzend den Kopf auf seinen verschränkten Armen aufliegend. Max hatte einen ruhigen Geist unter all den hektischen Stwst'lern, ein Zeremonienmeister der entspannten Abteilung. Bei einer Rocksession mit Gotthard und Werner hat er gesungen, "abba a papa" war der Songtitel, es war eine zahnlose Geschichte und er mußte seinen Zahnersatz heraus nehmen. Er war der einzige, der beim Umbau wirklich da war, zum Beispiel wie die Hofgebäude abgebrochen worden sind und die Holzbalken für den Umbau gerettet wurden. Er hat da Staub gefressen wie ein Irrer, als die Ziegel vom Dachbodenboden in der Hitze losgelöst wurden. Er hat immer wieder die Dreckhack'n gemacht. ... Es war ein radikaler Bruch, der Rauswurf aus der Stwst. Das hat ihm die beruhigende Situation genommen, daß er irgendwo eingebunden war, regelmäßiges Entgelt und sozialen Kontakt hatte. Er war in einer gewissen Weise verläßlich, und Max räumte zusammen. Das hatte seinen Stolz, den er in einer bestimmten Art und Weise hatte, angesprochen. Und wenn er sich kraß ungerecht behandelt gefühlt hat, stand er zwar auf der Straße, aber er kräulte niemanden in den Hintern. Die Wohnung, die er über die Stadträtin Fröhlich-Santer in der Frankstraße bekommen hatte, ging dann auch verloren, wegen drei Monate in Bucht, wo er seine Fahrradstrafen absitzen mußte. Dadurch war eigentlich alles weitere besiegelt und das war auch sein Niedergang. |