KULTURENTWICKLUNGSPLAN LINZ 

GLATTPOLIERTE SICHERE UNTERHALTUNG FÜR GLATTPOLIERTE SICHERE WÄHLERSCHICHTEN
Gespräch mit Didi Bruckmayr

Der Trend in der Linzer Kulturpolitik wird fortgesetzt: Über das Kulturamt, das parteipolitisch schwer besetzt ist, wird die Kultur monopolisiert. Die meisten Häuser, die für Veranstaltungen relevant sind, werden von der Gemeinde betrieben. Die private Konkurrenz oder Veranstalterszene ist bereits weitgehend ausgeschaltet worden. Privatveranstalter sehen sich genätigt, sich in die LIVA-Häuser einzumieten oder durch Kooperationen eine Saalmiete zu umgehen. Aber sie müssen dort veranstalten, weil sonst keine Flächen da sind, bzw. wird man durch den Behärdenapparat dermaßen gegängelt, daß einem die Freude daran schnell vergeht. Diese Probleme kann man sich scheinbar ersparen, wenn man, wie wir es beim Hip Hop Jam "Stay Original" gemacht haben, sich einen Partner wie den Posthof sucht. Dazu aber kommt, daß Häuser wie der Posthof, so lobenswert deren Existenz auch sein mag, durch ihre Kartenpolitik, Programmpolitik, etc auch die private Konkurrenz weitgehendst ausgeschaltet haben. Das ist umso ärgerlicher, da ja gewisse kulturelle Angebote oder Ausdrucksformen von der kommunalen Kulturpolitik nicht angeboten werden. Um diese Lücken zu schließen, sollten private Veranstalter auftreten, die aber dann mit oben genannten Schwierigkeiten konfrontiert wären. Eine interessante Beobachtung im Vorfeld des Kulturmonats war, daß paradoxerweise wieder einmal bei der Planung auf eine der gräßten und schwierigsten Bevälkerungsgruppen im gesamten EU Raum vergessen worden ist: die Jugendlichen.

Kultur belebt

Durch Kultur lebt der Wirtschaftsstandort auf, werden vielfältige Wirtschaftsfaktoren angekurbelt. Da Kultur so ökonomisch und politisch relevant wird, ist die Kommune darauf versessen, sie auch umso mehr zu kontrollieren. Das haben wir ja jetzt schon, daß durch die LIVA, oder das Kulturamt über die LIVA und wer auch-immer oder gemeinsam, sehr viel kontrolliert wird. Das wird sich noch steigern. Denn für langfristige Strategien muß man natürlich auch Legitimation in der …ffentlichkeit haben. Man muß sie ständig modifizieren und das wird auch sehr stark vom common sense abhängen. Wenn man eher die einkommensstarken Mittelschichten ansprechen will bzw. Unternehmen mit Mitarbeitern aus diesen Schichten, wird man sich auch ein sehr einschlägiges Kulturprogramm einfallen lassen müssen. Das wir jetzt eh schon haben. Es ist ja der Wille der Stadt, keine anderen Dinge zu machen, als immer nur "geschmeidige" Projekte zu inszenieren  " obwohl die  Stadt ja eher die Mäglichkeit hat, sich abzuschotten von Beschwerden, die von irgendwelchen Bevälkerungsteilen kommen, als ein Privatveranstalter, dem gleich die Polizei ins Haus kommt. Mit "geschmeidig" meine ich, daß die Projekte mäglichst breite Bevälkerungsschichten ansprechen bzw. eher den soliden Mittelstand, der sich in den letzten Jahren als kulturbeflissen erwiesen hat, und auch gewisse bürgerliche Eliten. Aber alles andere, was stärend und sperrig ist, Jugendliche und Randgruppen anspricht, oder was Sonderentwicklungen der modernen Kunst sind, wird dann nicht gemacht. Aber wo soll das dann passieren?

Eine kleine Farce

Ich muß auf den Hip Hop-Jam im Posthof zurückkommen. Ein großer Hip-Hop-Jam hat in Linz schon mehrmals stattgefunden, wobei es im letzten Jahr so war, daß keine Halle zur Verfügung gestellt wurde.  Das wollten wir heuer besser machen. Ich habe den Herrn Flip Kroll von "Texta" und seinem Kumpan Moussa, die ja in der Szene gut verankert sind, vorgeschlagen, daß ich mit Geld einsteigen werde, "Laager" das Sound System für die Open-Air-Geschichte stellt und daß das ganze danach in der Posthofhalle weitergehen kann. Weil das nicht finanzierbar gewesen wäre, haben wir uns Sponsoren geholt, die SJ ist im letzten Moment mit einer Ausfallshaftung eingestiegen. Und dann konnte der Jam stattfinden - unter großem Ansporn gewisser Teile des Kulturamts. Das kann ich durchaus so sagen, denn ich bin immer wieder dazu ermuntert worden. Es war aber der besondere Fall, daß diese Kooperation von "Laager" und dem genannten Team nicht ins Kulturmonatsprogramm aufgenommen wurde " aus welchen Gründen auch immer. Es ist zwar vermerkt worden, aber unsere Sponsoren schienen im Katalog nicht auf.
Wir kommen jetzt zu einer Pointe " Der Posthofchef, der die Veranstaltung ja mit Wohlwollen aufgenommen und das Haus zu Verfügung gestellt hat, ruft ganz betroffen an: sein Kollege sei bei ihm erschienen und hätte mitgeteilt, der Herr Bruckmayr und der Herr Kroll hätten ihm unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Bewilligung herausgelockt, den Posthof mit den Technikern kostenlos zu kriegen. Für eine Veranstaltung, die sich als Kulturmonatsveranstaltung tarnt, aber de facto eine Privatveranstaltung ist.
Wer hätte ihm das gesagt? - 
Der Projektleiter des Kulturmonats. 
Der Projektleiter des Kulturmonats war zweimal auf Pressekonferenzen in Linz und Wien, wo er mich referieren ließ. Und jedesmal ist mit dem Projekt "Laager", das im Rahmen des Kulturmonats stattfand, das Projekt "Stay Original" vorgestellt worden. Offensichtlich herrschte Konfusion. Die Posthofleitung hat immer versucht, eine Festivalsbüromitarbeiterin zu erreichen, die schließlich besänftigen konnte, daß der Jam "auch" im Rahmen des Kulturmonats stattfindet. Natürlich haben wir das Kulturmonats-Logo dann auf unsere Flyer getan. Aber was da immer wieder an Transformationen in der Akzeptanz unseres Projekts passiert ist, war auf jeden Fall scheinbar schwierig.

Dann ist es passiert, es waren 1.300 Leute unten. Die Graffiti-Wand ist uns nicht bewilligt worden. Es gab monatelang ein Hin und Her, ob diese depperte Wand mit dem Posthof-Logo übersprayt werden darf durch g`scheite writer, die eine neue Wand und ein neues Logo machen. Da gab«s verschiedene Ansichten, die mir über e-mail vorgelegt wurden. Einmal hieß es "ja und das Logo darf nicht übermalt werden", dann "es darf überhaupt nichts übermalt werden" und dann "es darf alles übermalt werden". Das ging immer so hin und her. Am Freitag vor dem Jam, also kurz vor Ladenschluß aller Holzfirmen, kam dann das endgültige Übermalverbot. Daraufhin haben wir in einer Nacht- und Nebelaktion Platten aufgetrieben, und die Sprayer haben dann relativ fadisiert auf 2,5 x 3 Meter- Holzplatten herumgesprayt. Wir haben eine Security aufstellen müssen, die jede auf die Seite gestellte Spraydose konfisziert hat. Es ist auch nichts passiert. Abgesehen davon, daß einer genau bei der Kirche ein "tag" raufgemacht hat und im Hafen haben irgendwelche Depperten mit Spraydosen, die nachweislich nicht von uns waren, obwohl die Kronenzeitung das hat, Autos angesprayt. Leute haben sich beschwert, daß es zu laut war und der Bürgermeister hat sofort ein Schreiben an den Posthof geschickt.

Dobusch junior war übrigens über die SJ als Security  bei der Veranstaltung anwesend. Die SJ-Security hat sich redlich bemüht, war aber zeitweilig durch den Andrang und die Vielzahl von zu berücksichtigenden Aufgaben überfordert. Kroll, Moussa und meine Wenigkeit sind der SJ zu großem Dank verpflichtet, da sie uns einer Unzahl von bürokratischen, verwaltungs- und finanztechnischen Belastungen enthoben hat. Zudem haben ihre Mitglieder die Open air Fläche penibel gereinigt.

Es hat jede Menge Beschwerden gehagelt. Die oben erwähnte Festivalsbüromitarbeiterin hat fast durchgedreht und behauptet, mit unseren Exzessen da unten würden wir ihr den Job kosten. Das ist uns natürlich persänlich nie gesagt worden. Wir hatten für "Laager" den Hrn. Saftic als Organistator und "Sandsack für äffentliche Beschwerden". Und am Montag ist das Telefon bei ihm heißgerannt. Vom Kulturamt bis zur Polizei haben alle angerufen. Man kommt also zu dem Schluß, daß die Stadt solche Sachen wie den Jam eh nicht machen will, weil es für sie scheinbar ein Problem ist zu legitimieren, daß 1.300 Leute so ein paar Kinkerlitzchen machen. Würde die Stadt solche Veranstaltungen selber machen, wär's kein Problem, dann kännten sich die Leut beim Salzamt beschweren.

Worauf alles hinausläuft

Man muß scheinbar die Künstler immer etwas gängeln, und das wird bei solchen Langzeitstrategien noch viel augeprägter werden. Man will ja Ergebnisse verwirklicht sehen. Und dann kann man nur mehr Beamter des Kulturamts werden. Dann laß ich mich in ein Dienstverhältnis stellen, mach alles genauso wie es entwickelt worden ist und laß es auch kontrollieren durch die diversen Hierarchien. Aber dann würde einiges an kreativem Potential fläten gehen. Gewisse Innovationen entstehen nicht so sehr durch akademisch durchgesylte, designte, hybrid formulierte Langzeitstrategien, die von irgendwelchen Akademikern entwickelt worden sind. Sondern mitunter bedarf es sehr trivialer, unakademischer oder infantiler Zugänge. D.h. es braucht weiterhin viele Experimentierfelder.

Kultur hat im politischen Bereich immer eine erhebliche Rolle gespielt, war das Transportmittel von Utopien. Der Austromarxismus hat das sehr maßgeblich belegt. Oder auch die Ära Kreisky, wo die Kulturpolitik der sozialdemokratischen Partei re- und neuformuliert worden ist, trägt den Gedanken noch in sich, daß soziale Bewegungskräfte auch durch Kultur motiviert werden kännen. So gesehen finde ich es auf eine Art begrüßenswert, daß, wenn z.B die Bundesregierung es schon verabsäumt, zumindest die lokale Politik sich der Kultur als solcher besinnt. Man muß aber die Gefahren in der ganzen Sache sehen: das sind der Legitimierungsdruck und der Normierungsdruck, die dann stattfinden, der Finanzierungszwang natürlich auch, der mit dem Legitmierungszwang eng verwoben ist. Und eine gewisse Visionslosigkeit, die bürokratischen, politischen Apparaten innewohnt, ist sicherlich auch ein Hauptfeind. Ich frage mich immer, wie sollen diese Langzeitstrategien exekutiert werden? Wie soll das funktionieren? Wer kontrolliert das? Sagt man, die eigenen Apparate oder vertraut man Kräften, die man von mehreren Seiten herbeizieht, wie z.B auch aus der freien ? Wann wird evaluiert? In welchem Zeitraum sind die Ziele nun wirklich gesteckt? Sind das 3, 5 Jahre oder 1 Jahr?

Die Stadt will sich positionieren ...

...als eine moderne oder modernistische Stadt, die u.a. dadurch glänzt, daß sie ein sehr hochstehendes Niveau an moderner Kunst und an Freizeitunterhaltung anbietet, wobei sich Kunst und Freizeitkultur sogar etwas  durchdringen kännen. Der nächste Durchdringungsfaktor wäre dann so eine hybride Mischung aus Wissenschaft, Kunst und Forschung, siehe AEC. Das ist alles sehr schän und gut. Nur bedarf es auch des Publikums dafür. Ich denke, daß, ungeachtet aller wirklich klugen Ideen, die da entwickelt werden, die Leute dafür in Linz nicht da sind. Die müßte man wieder von außen beiziehen. Da wären wir wieder bei dem Umstand, daß der Kreislaufeffekt einsetzt: Habe ich gutes Angebot, kommen vielleicht mehr Firmen, weil es sich in der Stadt ja schän wohnen läßt. Wenn wieder mehr Leute in die Stadt kommen, weil die Stadt interessant ist, weil das Angebot gut ist, entwickelt sich auch das Angebot wieder weiter. Aber eben in gewisse Richtungen, nämlich in die der einkommensstärkeren Schichten. Also glattpolierte sichere Unterhaltung für glattpolierte sichere Wählerschichten. Metropolenäkonomie, bessere Chancen im Wettbewerb um Investitionen und Zuzug von Kapital sowie von finanzstarken Bevälkerungsschichten " bei all dem ist Kultur ein wesentlicher Faktor. Und so müssen Sperrigkeiten wie etwa Jugendkulturen entweder pazifiert oder gleich exkludiert werden. Oder wenn man sie aus Gründen der Relevanz macht, weil  sie "Funsport-Kulturen" zugehären, muß man sie auch wieder kontrollieren und am besten vereinnahmen. Das ist so meine Horrorvision.

Beim Kulturmonat habe ich den Eindruck, daß das meiste an der Bevölkerung vorbeigeht. Ich behaupte, daß die Mehrheit des Angebots und auch die Art wie es formuliert wird, viele Bevälkerungsschichten gar nicht erreicht. Und so hat man sich unabsichtlich oder absichtlich schon eine Zielgruppe auserkoren, eine Zielgruppe, die von Bedeutung ist. Mit dem Rest muß man irgendwie klarkommen. Mit diesen Stimmen des Unmuts kann man leben. Ich denke auch, daß dieses Kulturmonat " so ambitioniert da herangegangen wurde " in einer ziemlichen Beliebigkeit oder Fadesse eigentlich versunken ist. Welche Funktion haben diese Veranstaltungen überhaupt? Sind sie Generalproben und Vorbereitung für die Bewerbung um die EU Jahreskulturhauptstadt? Was war die Motivation der Politik gegenüber der Bevälkerung, das sie das macht? Es muß doch irgendwelche Überlegungen gegeben haben, was erwarten sich die Linzer und Linzerinnen von einem Kulturmonat? Bei den Pressekonferenzen hatte ich nicht den Eindruck, daß derartige Überlegungen angestellt worden waren. Es ist da eher um eine sehr gediegene Darstellung gegangen, um eine Nische zu besetzen, sich eine neue Identifikation zu schaffen. Weil Linz wie andere industrialisierte Städte irgendwo dazwischen steht. Weil ihnen die corpoate identity fehlt, die CI als Kulturveranstalter und -produzent. Ganz gezielt wurde die Nische "Moderne Kunst und Hitech-Kultur" gesucht.

Didi Bruckmayr
ist Konzertveranstalter, Performer (Frontman von Fuckhead und Wipe Out), sowie seit Jahren tätig als Faschismusforscher.

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