KULTURENTWICKLUNGSPLAN LINZ |
DIE ZUSAMMENGEBUNDENE WUNSCHSAMMLUNG Gespräch mit Harald Schmutzhard |
Der KEP ist eine Ansammlung von Wünschen und Ideen
von allen möglichen in die Kulturlandschaft integrierten Institutionen, Vermittlern,
Kuratoren etc. Der KEP enthält aber keinerlei Vorgaben, wann man die Vorschläge
umgesetzt haben will. Vor allem wenn's darum geht, eine so große Anzahl an Vorhaben
umzusetzen, muß man sich überlegen, womit man anfängt. Und dabei gibt es zwei
Herangehensweisen: Wenn ich Prioritäten habe in einem Entwicklungsplan, dann fange ich
zuerst mit den wichtigen, entscheidenden Dingen an, wenn keine Prioritäten im Plan drin
sind und der dann in Richtung Verwaltung geht, besteht die Gefahr, daß man das zuerst
umsetzt, was möglichst wenig Aufwand mit sich bringt, möglichst wenig Widerstönde in
sich birgt und damit die eigene Erfolgsliste verlängert, ohne wirklich entscheidende
Auswirkungen auf die Kulturlandschaft erzielt zu haben. Ein Schuß nach hinten Am KEP fällt sofort auf, daß eine ganze Latte an Institutionen und neuen Einrichtungen angeführt wird, die zusätzlich gewünscht werden, es sind aber immer institutionalisierte Projekte. D.h. es fehlt offensichtlich der Mut, Freiräume zu schaffen und die auch offen zu lassen für Experimente. Die Tendenz zu einer risikoloseren Kulturlandschaft bedeutet aber auch zugleich eine Verarmung und Ausdünnung an neuen Ideen. Die zweite Gefahr ist, daß man bei der zusätzlichen Schaffung von Institutionen davon ausgehen muß, daß sich das Kulturbudget auch ausweitet. Ansonsten würden für freie und unabhängige Projekte weniger Mittel zur Verfügung stehen. Solang diese Ausweitung des Kulturbudgets auch realistisch ist, funktioniert der Ansatz, weil natürlich die neu geschaffenen Institutionen einerseits Mittel für deren Infrastrukturen benötigen und andererseits natürlich auch Geld brauchen, um die Institutionen zu beleben. Sobald aber die Gefahr besteht, daß das Kulturbudget sich verringert, wird das ein Schuß nach hinten für alle freien Künstler. Denn natürlich wird in diesem Fall zuerst bei denen gespart, bevor man bestehende Institutionen auflöst. Kultur als Klischeetransporteur Identität durch Kultur ist im KEP nicht wirklich gewünscht, denn es geht darum, ein Klischee von Linz über die Kultur zu transportieren. Natürlich wirkt das dann irgendwann zurück auf die Identität. Aber den Verfassern des KEP geht es meiner Meinung nach nicht darum, daß sich die Kulturszene wirklich mit der vorhandenen Identität auseinandersetzt und diese fortentwickelt. Sondern es besteht eine Marktlücke innerhalb der EU-Kulturstädte (neue Medien/neue Technologien und Kunst), die gilt es für Linz zu besetzen, um im Konkurrenzkampf zu bestehen. Mit allen Mitteln versucht man, sich in der europäischen Kulturlandschaft zu profilieren. Der Gedanke, der dahinter steht, ist aber nicht wirklich eine Auseinandersetzung mit den Menschen und Gegebenheiten vor Ort, sondern eine Absicherung des Unternehmens- und Wirtschaftsstandortes Linz. Dazu benötigt man eben ein gewisses Ausmaß an repräsentativer Kultur. Da gehört natürlich ein Musiktheater dazu, und natürlich auch eine repräsentative Kulturmeile, was immer man darunter verstehen mag. Künstler und Kulturschaffende werden dabei aber nicht in die Entwicklung der Modernisierungsstrategien eingebunden, sondern lediglich in die Umsetzung vorhandener Zielvorstellungen. Dabei geht es doch darum, Ziele zu untersuchen, zu hinterfragen und herauszuarbeiten, wo wir eigentlich hinwollen. Und nicht darum, externe Vorgaben möglichst konfliktfrei umzusetzen und dabei auch die Künstler mitzunehmen, sodaß sie möglichst nicht aufbegehren. Frontlinien Wenn es um langfristige Kulturentwicklung geht, gibt
es "Frontlinien", die immer wieder auftauchen, etwa die Auseinandersetzung
zwischen reproduzierenden und produzierenden Sparten, zwischen Institutionen, die eher
konservieren und pflegen, und den Sparten, die massiver neue Wege gehen, neue Ideen,
Projekte entwickeln und stilbildend wirken. Der Verteilungskampf, obwohl er immer
weggeredet wird, ist aber vorhanden. Und dieses Verteilungsproblem müßte natürlich bei
einem KEP behandelt werden, um eine Zielvorstellung zu entwickeln. In der Schublade Vom Kulturbegriff, der im KEP definiert wird, bin ich positiv überrascht. Der definierte Anspruch ist sehr hoch. Das Problem ist nur, daß sich der Anspruch in den konkreten Forderungen, die im KEP angeführt werden, nicht nachvollziehen lößt. Es ist ja spannend, daß der erste Entwurf eines KEP in der Schublade verschwunden ist. Es hat dann ein bissl gedauert, bis er von einem Redaktionsteam überarbeitet worden ist. Und dabei sind einige Formulierungen rausgenommen worden. Im ersten Entwurf stand, daß ein Neubau des Musiktheaters in der geplanten Größenordnung in keinster Weise dem erwarteten Publikumszuspruch und dem Einzugsgebiet von Linz entspricht, sondern daß es absolut überdimensioniert ist. Es stand dezidierte Kritik an der Spektakelkultur in Linz im KEP. Es ist spannend, daß der jetztige KEP in beiden Punkten ein bissl weicher ist. Der offene Diskussionsprozeß, den man jetzt offensichtlich anstrebt - alle werden eingebunden, alle werden einmal gefragt - hat, wenn man die Mechanismen der Politik miteinbezieht, die Folgen, daß bei späterer Kritik immer geantwortet wird, "Hätt's damals mitgredt, hätt's eure Vorstellungen eingebracht. Jetzt is z'spät". Und damit kann man zukünftig alle Kritiker im Endeffekt mundtot machen. Obwohl ja die wirklich brennenden Fragen vom KEP nicht behandelt werden. Herald Schmutzhard |