KULTURENTWICKLUNGSPLAN LINZ |
KULTURPOLITIK MUSS SEIN Gespräch mit Dr. Reinhard Kannonier Im KEP sollte der Begriff Plan oder Planung überhaupt mal mit Kultur in Verbindung gebracht werden. Im Bereich Umweltschutz gibt's das schon lang, "Nachhaltigkeit von Dingen, die getan werden". Meines Erachtens gilt das für Kultur genauso. Ich halte nicht viel davon, wenn Kulturpolitik nicht stattfindet. Ich glaube, daß Bund, Land und Kommune, die öffentliche Aufgabe haben, für Kultur und Kunst Rahmenbedingungen zu schaffen, finanzieller und u. U. organisatorischer Art, inwieweit institutioneller Art, darüber kann man dann diskutieren. das halte ich für wichtig, weil gerade jetzt die Diskussion läuft, "die Privatisierung sollte auch die Bereiche der Kunst und Kultur zunehmend erfassen". Das tut sie eh, der Marktmechanismus fährt da voll rein in diese Bereiche. Umso wichtiger ist die Gegensteuerung der Öffentlichkeit, also die Schaffung von Rahmenbedingungen bei gleichzeitiger 100%er Gewährleistung der Autonomie der Kunst.Wunsch nach einer Linz-spezifischen Corporate Identity durch Kultur, um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu steigern, ist zweifellos stark im KEP vorhanden, ist ein Anliegen der Stadt und ihrer Kulturpolitik, aber für mich kein Ausgangspunkt gewesen. Die Fragen um die Spektakelkultur gehe ich einmal nicht von der Fragestellung her an, "was bringt's dem Tourismus?" Die Fragestellung: "Kultur ist eine Wachstumsbranche, warum soll Linz, das ja über Jahrzehnte hinweg aus der Kulturindustrie ausgeschlossen war, nicht auch in diese Schiene" finde ich von Seiten der Politiker her legitim. Insofern spielt das im KEP auch eine Rolle. Kultur für die Wirtschaft Kunst und Kultur sind, wie im KEP steht, für
hochqualifizierte Unternehmen wichtige Standortfaktoren. Für deren Mitarbeiter ist ein
attraktives Kulturangebot wichtig. Daß das für ein Musiktheater spricht, ist 100%
richtig. Aber ich bin mir nicht sicher, ob nicht gerade aus diesen Bereichen eher offene
Leute kommen, als aus der etablierten Kulturschiene. Als Veranstalter, habe ich die
Erfahrung gemacht, daß gerade bei zeitgenässischen schwierigen Geschichten oft solche
Leute leichter zu motivieren waren, hinzugehen, als Leute, die sich immer nur denselben
Sermon in Theater und Oper anhören. Gerade aus diesem Bereich der hochqualifizierten
Mittelschicht, die mit Technologie oder was immer zu tun hat, kann eher Motivation und
Unterstützung da sein. Strukturwandel - positiv für die freie Szene? Ein Strukturwandel, wie er in Linz vor sich
geht, hilft möglicherweise der freien Szene mehr als den etablierten Institutionen. Denn
ich glaube, daß in Zukunft - ich rede von ein, zwei Jahrzehnten - Sachen wie
Innovationsbereitschaft, Flexibilität usw., all das, was zeitgenössische Kunst im
engeren Sinne bieten kann, überhaupt mehr Bestandteil wird von allgemeiner Ausbildung,
Bildung. Und das kann man nicht mit der Traviata, mit Goethe oder Schiller und auch nicht
mit Goya machen. Sondern das ist ein Potential, rein methodisch jetzt, was die
zeitgenössische Kunstszene anzubieten hat und in der Art der Auseinandersetzung damit.
Das geht nur über direkte Kreativität, Innovation, Herausforderung, Reibungsfächen -
all das, was auch in zukünftigen Berufsbildern immer mehr Anforderungsprofil sein wird.
Breiter Kulturbegriff - enger Kunstbegriff Der Kulturbegriff ist stets neu zu hinterfragen aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung. Im KEP gibt's eine ganz klare Aussage. Auf der einen Seite ist der Kulturbegriff sehr breit und fast in eher traditioneller Weise, die aus den 70er Jahren kommt, also Alltags- und Lebensbereiche umfaßt, die nicht nur im engeren Sinn unter Kultur subsumiert werden. Und gleichzeitig gibt's einen engen Kunstbegriff. Ich glaube, daß das auch das Richtige ist, daß man auf der Ebene des Kulturbegriffs nicht sagen kann, wo hört Kultur auf und wo fängt Nicht-Kultur an. Wenn man ernst nimmt, daß die Bestimmung dessen, was kulturelle Tätigkeit ist, den Leuten selber überlassen werden muß und daß das nicht politische Vorgaben sein dürfen, dann muß man dem auch sehr breiten Raum geben. Dann kann ich als Kulturpolitiker nicht sagen, wie kürzlich der Schimanek, "wir wollen ja nicht sagen: was ist Kunst. Aber das ist keine Kunst", in Bezug auf Nitsch - im Nachsatz. Also das darf auf keinen Fall passieren. Politik darf nicht dreinreden und deswegen braucht man einen sehr breiten Kulturbegriff, der alles offen läßt. gegen den Identitätsbegriff... ...habe ich große Vorbehalte und ich
verwende ihn nicht in meiner Arbeit. Was soll das überhaupt sein? Was man im KEP damit
meint, ist, daß mit Linz etwas ganz bestimmtes verbunden wird, was Linz unterscheidet von
z.B. Graz oder Salzburg. Leitprojekte und Zentrifugalkräfte Eine Gefahr ist bei Leitbegriffen gegeben.
Leitinstitutionen, Leitbegriffe haben eine Anziehungskraft, finanziell und in jeder
Hinsicht. Und jemand, der sich dort nicht einordnen will oder kann, für den besteht
die Gefahr, daß er von den Zentrifugalkräften erwischt wird. Dann geht's um die Wurscht Der KEP ist zwangsläufig ein gewisser
Misch-Masch und wird auch grundsätzlich ein solcher bleiben müssen, denn es ist viel zu
heterogen, was da alles hineinfließt. Alle Magistratsbereiche sind vertreten plus die
ganze Szene rundum, die ja auch z.T. gefärderte Szene ist, wo es den direkten Konnex
gibt. Dr. Reinhard Kannonier |