KULTURENTWICKLUNGSPLAN LINZ 

DEN
AUTONOMEN
KÜNSTLER
GIBT
ES
NICHT

Gespräch mit Peter Androsch

Ich finde es gut, daß es einen Kulturentwicklungsplan gibt. Meines Wissens ist Linz die einzige Stadt in Österreich, die das macht.

Der Plan ist allerdings sehr an Institutionen und sehr ergebnisorientiert. Das ist in Linz ein Manko seit Jahrzehnten. Institutionen sind dann ein Problem, wenn sie zu sehr im Vordergrund der Kulturpolitik stehen. Vor kurzem sprach ich mit Rudolf Ardelt, Professor für Zeitgeschichte in Linz, über die Salzburger Stadtpolitik zu Zeiten von Moritz, die unter dem Motto stand: von politischer Seite nichts schaffen, sondern nur Pflänzchen, die entstehen, kräftig gießen. Damals entstand das Kino, das Rockhaus, die Arge Nonntal, bis zur Szene in Salzburg, die nun in Kooperation mit den Salzburger Festspielen arbeitet. Das sind Entwicklungen, die sich aus einer schon vorhandenen Szene ergaben und durch die Politik nur gehegt wurden. Dieser Ansatz kommt im KEP eindeutig zu kurz. Aber man muß dazu sagen, es gibt auch nicht sehr viel in Linz, das man so pflegen könnte. Vieles ist schon institutionalisiert, man denke an eine Kapu oder an eine Stadtwerkstatt. Dazu hat Salzburg natürlich den Vorteil, daß es eine geisteswissenschaftliche Universität gibt, ein Mozarteum, und auch die Festspiele, die Personal an die Stadt binden, und wo die jungen und nicht so arrivierten Künstler in anderen Zusammenhängen arbeiten. 

Kulturbegriff

Es ist notwendig, diesen Begriff fast beiseite zu lassen, denn sonst kommt es unweigerlich zu meist sinnlosen ideologischen Auseinandersetzungen, die die praktische Arbeit behindern. Wichtig ist, ihn so breit zu definieren, daß niemand dagegen etwas sagen kann. Wichtig ist das vor allem im Hinblick auf die politische Durchsetzung. Es würde die Kritikangriffsfläche nur vergrößern, wenn man Kultur eingrenzt oder klarer definiert, denn das geht wiederum nur von einem gesellschaftspolitischen Standpunkt aus. Es würde zu sinnlosen Grabenkämpfen führen. Durch eine umfassende Auflistung des in der Stadt vorhandenen Reservoirs wird diese Phase der ideologischen Auseindandrsetzung übersprungen.

Corporate Identity von Linz

Eine der größten Schwächen des KEPs ist genau die bereits angesprochene Orientierung auf Institutionen. Die städtische Kulturpolitik arbeitet ergebnisorientiert. Das heißt, zu einem breitenwirksamen medienwirksamen Anlaß etwas Schönes herzeigen. Ars, Klangwolke, etc. Prinzipiell ist das ok, aber wenn das der einzige Standpunkt der Kulturpolitik wird, führt das zu einer Ausdünnung des Reservoirs, aus dem man schöpfen kann. Im Dunkeln gedeihen die Pflänzchen, von denen man in Zukunft leben wird. 
Sonst führt das zu einer reinen Einkaufspolitik. Hauptpunkt des Plans muß sein, daß die künstlerische Szene erhalten bleibt, sich möglichst erweitert und verbessert und die Abwanderung nach Wien auf ein Maß reduziert wird, das sinnvoll ist für Austausch. Zu beachten ist allerdings, daß man in den KEP nicht zu hohe Erwartungen setzen sollte. Die wirklich relevanten Rahmenbedingungen werden in der Landespolitik und in der Bundespolitk gesetzt. So gut kann ein Plan nie sein, daß er die Auswirkungen des Sparpakets oder die nicht vorhandene Kulturpolitik des Bundes aufhebt. Selbst ein perfekter KEP kann die Fehler auf Bundesebene nicht korrigieren.

Standort

Aus wirtschaftspolitischen Überlegungen heraus ist das wichtig. Ein kulturelles Umfeld ist durchaus auch ein Entscheidungskriterium für die Wirtschaft. Für mich ist es nicht wichtig, weil ich ohnehin in einem überregionalen Kontext arbeite. Das Standortargument ist allerdings genauso gefährlich wie die kurzfristige Ergebnisorientierung der kommunalen Kulturpolitik. Das ist ein Unterschied im Ansatz zwischen der Kulturpolitik des Landes und der Stadt: nicht ergebnisorientierte Förderungen für Künstlergruppen oder Einzelkünstler gibt es bei der Stadt de facto nicht. Es wird kein Projekt gefördert, bei dem vielleicht in drei Jahren einmal etwas herauskommt. Beim Land und beim Bund ist das schon möglich. Allerdings sind natürlich auch die Finanzmittel der Stadt geringer als die des Landes.

Eine aktive ansässige Szene kann nur existieren, wenn sie in einem Klima arbeiten kann, das permanente Arbeit ermöglicht. Ich vergleiche das gerne mit der Forschung. Es gibt Grundlagenforscher in der Naturwissenschaft und angewandte Forscher. Angewandte Forschung ist zu vergleichen mit der Repräsentationskultur, die Linz sehr hegt. Langfristig könnten die Angewandten ohne die Grundlagenforscher aber nicht leben. Es ist hier zwar keine kurzfristige Rendite möglich, aber längerfristig gesehen trägt es Früchte. Andauernde Investitionen in ein künstlerisches Umfeld sind in der städtischen Kulturpolitik zu wenig verankert. 

Vereinnahmung?

lange mir in meiner tagtäglichen Arbeit niemand dreinredet, habe ich damit kein Problem. Es gibt keinen vogelfreien Künstler. Die herrschende Schicht verwendet Kunst immer als Schmuck. Man denke nur an die Vorhaben in Paris. Zuerst Haussmann und jetzt Miterrand. Das hatte gigantische Auswirkungen auf Kunst und Kultur im positiven Sinn und gleichzeitig befriedigte es die Repräsentationsbedürfnisse des "Gott-Präsidenten" Mitterand. So etwas ist keine Besonderheit, sondern immer das Wesen der Politik und der herrschenden Klasse. Ohne dem gäbe es kein Wien als Herrschaftsstadt und auch keine freie Szene. Kunst und Kultur wird immer vereinnahmt ab dem Zeitpunkt, wo sie repräsentabel wird. Dabei kommt es zu Verteilungskämpfen, aber das ist mit und ohne Kulturentwicklungsplan nicht zu verhindern.autonomen Künstler gibt es nicht. Das ist ein Trugbild. Und wäre er autonom, wäre er Onanierer. Kunst ist nur in gesellschaftlichem Kontext zu sehen. Sie steht immer auch in Relation zu den Geldgebern. Kunst hat ohne Geld nie funktioniert. Über die Jahrhunderte hinweg wurden immer Strategien entwickelt, wie die Künstler zu ihrem Geld kommen. In diesem Zusammenhang verstehe ich den Begriff Autonomie nicht. Bei uns wird in die konkrete Arbeit des Künstlers nicht interveniert. In Kärnten gibt es das zum Beispiel schon. 

Wenn es gelingt, daß alle Parteien im Gemeinderat einen gemeinsamen KEP beschließen, ist ein Hauptargument des Kulturkampfes aus der Welt geschafft. Die Rahmenbedingungen, die im Plan vorhanden sind, geben vor, daß Gelder in Kultur und Kunst hineinzustecken sind. Damit ist die Sprengkraft aus den täglichen Entscheidungen weg, politischen Auseinandersetzungen der Wind aus den Segeln genommen. Es wird ein Konsens über die Parteigrenzen hinweg geschaffen. Förderungen, die durch den KEP festgelegt sind, werden keiner zusätzlichen oder besonderen politischen Diskussion mehr bedürfen. Das ist überhaupt der Grundgedanke dahinter: Eine vorhersehbare Plattform der Entwicklung zu schaffen, die nicht durch opponistisches Hickhack aus der Alltagspolitik gestoppt werden kann.

Europäischer Kulturmonat Linz

ist der Höhepunkt der Repräsentationskultur. Am gerechtesten wäre es im Grunde genommen, wenn der europäische Kulturmonat von der ansässigen Wirtschaft finanziert würde und nicht aus den Geldern der Steuerzahler. Es ist eine gigantische Werbemaschinerie, die dem Wirtschaftsstandort Oberösterreich zugute kommt. Das Wesen der Wirtschaft ist allerding, daß sie Investitionen in die Infrastruktur sozialisiert und Gewinne privatisiert. Unter demselben Gesichtspunkt ist auch der europäische Kulturmonat zu sehen.

Peter Androsch ist Komponist und Musiker. Lebt in Linz.

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